Jahresprogramm
2004 Hochverehrte Leserschaft!Heute sprechen wir mit dem Projektleiter des lesenden Dorfes, Martin Drebs. Sie befinden sich mit Ihrer Initiative „Bordenau – Unser Dorf liest“ nun im verflixten siebten Jahr. Gibt es Ermüdungserscheinungen? Martin Drebs: Überhaupt nicht! Wir haben ein erfolgreiches Jahr hinter uns, nämlich vier gemeinsame Lesungen mit der St.Thomas-Kirchengemeinde, bei denen sich oft Verkündigung der Kirche und Orientierung durch Literatur gelingend trafen. Dann unser Günter Grass „Im Krebsgang“, sicher das Gewagteste, weil aktuellste Thema, ein großer Erfolg auch diese Lesung, über die jetzt eine Video-Dokumentation erschienen ist. Und in der Schreibwerkstatt schreiben wir an einem gemeinsamen Buch: „Melissa lernt fliegen“. Gibt es denn schon Pläne für das neue Jahr? Martin Drebs: Nicht nur für das nächste! Der Blick geht auf den 3.Oktober 2004; wir wollen diesmal etwas Kleineres, Heiteres zur west-ost-deutschen Begegnung machen. Immer noch aktuell könnte es geschickt unsere erlesene Revue „Vielstimmigkeit der Deutschen“ von 2002 ergänzen. Gedacht ist an den Roman von Jens Sparschuh „Der Zimmerspringbrunnen“: Ostdeutscher Arbeitsloser beginnt als Handelsvertreter für ein westdeutsches Zimmerspringbrunnenunternehmen mit eigener Philosophie. Als Betriebsleiter Ost macht er allerdings seinen Riesenumsatz mit einem umgebauten Modell, das die DDR-Geschichte repräsentiert. Die westdeutsche Firma weiß davon allerdings nichts. Viel Situationskomik und Loriotmäßiges zum Thema Ost-West-Begegnung. Neben dem Autor könnten wir selbst einige ausgewählte Szenen spielend lesen, etwa die Verkaufsschulung, die an absurder Komik nicht zu überbieten ist! In Vorbereitung ist auch eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Bildhauer und Buchdrucker Peter Marggraf, Bordenau, zu Ingeborg Bachmanns Gedichtzyklus „Anrufung des großen Bären“. Denkbar ist auch immer noch eine engangierte Lesung mit dem Neustädter Hubert Brieden, dessen Roman „Totes Moor“ jetzt als Taschenbuch erschienen ist. Wann klärt sich das genaue Programm?: Martin Drebs: Wir wollen uns am Sonntag, dem 25.1.2004, um 15.00 Uhr im Seminarraum der Scharnhorstschule im Arbeitskreis treffen, um gemeinsam die Jahresplanung 2004 und darüber hinaus zu besprechen: „Hamlet“ und „Nathan, der Weise“ sind angedacht. 2006 möchten wir parallel zur Fußball-WM etwas „Zur Poesie der grünen Rasens“ machen, mit Sportkommentator Werner Hantsch als Ehrengast, dessen Reportagen von klassischen Zitaten voll sind. Diese Veranstaltung soll zusammen mit der Fußballsparte des TSV-Bordenau durchgeführt werden. Viel Erfolg! Drebs: Und wir wünschen ein schönes literarisches 2004! Deutsche
Bürger Hochverehrte Leserschaft!Fast keiner konnte ihn damals an Weihnachten 1940 hören: der Dichter der `Buddenbroocks` und des `Zauberberges` und Literaturnobelpreisträger Thomas Mann richtete seine Ansprachen über Radio BBC an die deutschen Hörer. Aus seinem amerikanischen Exil wurde die Reden über Telefon nach London übermittelt, auf Schallplatte gepresst und dann gesendet. Hier der Anfang und Schluss, ein großer Blick auf die Entstehung des Weihnachtsfestes: „Das Weihnachtsfest kehrt wieder, ein liebes Fest, ein Fest der Liebe und euch das liebste, ein Fest erfüllt von Licht und Duft und Traum der Kindheit. Man mag es das deutscheste aller Feste nennen, und wohl kein Volk begeht es mit solcher Innigkeit. Warum? Vielleicht, weil es in seinem kosmischen und religiösen Tiefsinn ein Symbol ist eurer Volkswerdung und die Geschichte eurer Gesittung sich darin spiegelt. In heidnisch-germanischer Urzeit war es das Fest der Wintersonnenwende, der Wiedergeburt des Lichtes aus Winternacht, des Anbruches neuen Weltentages. Dann aber wurde das junge Licht zum Kind in der Wiege, der Krippe von Bethelem; das Fest zum Geburtstag des Menschensohnes und Heilands, dessen großes und mildes Herz ein neues Menschheitsgefühl, eine neue Sittlichkeit in die Welt brachte, der seinen Vater im Himmel den Vater aller Menschen nannte und in dessen Verkündigung der volksgebundene jüdische Rasse-Gott sich zum jenseitig-geistigen und allliebenden Gott des Universums erhob. Die Festgeschichte ist eure Geschichte. Es gab kein Deutschtum, bevor das Licht im Osten erschien auch für euch, bevor christliche Menschlichkeit den germanisch-heidnischen Urzustand durchdrang und euer Weltgefühl, euer sittliches und religiöses Empfinden mit der christlich-abendländischen Zivilisation vereinigte. Dieser Gemeinschaft gehört ihr an, ihr feiert eure Zugehörigkeit zu ihr, wenn ihr unter dem Lichterbaum die Krippe des Sonnenkindes aufschlagt und die Bilder der Hirten und Könige dazu stellt, die vor ihm anbeten. Ihr feiert auch die herrlichen Beiträge, die der deutsche Geist für die christlich-abendländische Kultur und kraft ihrer geleistet: das Werk Dürers und Bachs, die Freiheitsgedichte eures Schiller, Goethe's „Iphigenie“, den „Fidelio“, die Neunte Symphonie. Nun rüstet ihr euch wieder , das christliche, das deutsche Fest zu begehen – zum zweiten Male in diesem Kriege, den eure gegenwärtigen Führer über euch und die Welt verhängt haben....Es ist Weihnachten, deutsches Volk. Laß dich bewegen und euch empören von dem, was die Glocken meinen, wenn sie Frieden verkünden, Frieden auf Erden!“ Dem schließen wir uns an und wünschen allen Lesern ein friedliches Fest! Weihnachtsmänner Hochverehrte Leserschaft!Liebe Kinder! Kennt Ihr die Geschichte, als die Weihnachtsmänner Fußball spielen wollten? „Hoh-hoh-hoh“ schallt es alljährlich durch die Wälder, wenn die Weihnachtsmänner sich auf ihre schwierigen Weihnachtstage vorbereiten, an denen sie die Geschenke mit großen Schlitten von Haus zu Haus an die Menschenkinder verteilen. Jedes Jahr treffen sie sich dafür Mitte Dezember zur Vorbreitung, üben Hoh-hoh-hoh-Rufen, putzen ihre Bärte und Mäntel und überprüfen die Geschenke. In diesem Jahr passierte etwas Besonders: ein Rentier, das vor den Schlitten gespannt werden sollte, rutschte aus und riss einen Schlitten –vollgepackt mit Geschenken – um. Viele Pakete platzten auf und heraus kullerten die vielen unzähligen Geschenke, darunter ein Fußball, den ein achtjähriger Junge bekommen sollte. Erst versuchten die Weihnachtsmänner, gemeinsam alles einzupacken . Das könnt Ihr am Weihnachtsabend schon erkennen an den Geschenkverpackungen, die nicht ganz perfekt sind! Doch dann rief einer: Hoh-hoh-hoh, lasst uns eine Runde Fußball spielen, das ist gut für unsere Kondition und wir haben noch etwas Bewegung! Gesagt, getan! Sie trampelten den Schnee fest für ein Fußballfeld, schnell wurden Tore errichtet und dann teilten sie sich in zwei Mannschaften, eine mit, eine ohne Mütze. Und das Spiel ging richtig los. Die Weihnachtsmänner hatten ihren Spaß und sie waren gut. Sie schlugen die Bälle weit über das Feld, es gab geschickte Doppelpässe, schöne Flanken und herrliche Kopfbälle, die zu wunderbaren Toren führten, wobei die mit Mützen nicht ganz so gut waren. So spielten sie begeistert, bis es dunkel wurde und auf einmal war der Ball verschwunden. Und so sehr sie auch suchten, sie fanden ihn in dem hohen Schnee nicht mehr. Da beratschlagten sie, was zu tun sei. Ein neuer Ball muss her, ganz klar; doch so schnell war das nicht zu machen! Da hatte der Weihnachtsmann, der für diesen Bezirk zuständig ist, eine Idee: in der Nachbarschaft des Jungen sollte ein Mädchen auch einen Fußball geschenkt bekommen. Nun könnten wir versuchen, den Beiden den Ball gemeinsam zu schenken! Die anderen fragten erstaunt: Ja meinst du denn, das geht? Ein Ball für zwei! – „Ja, dann können sie doch zusammen spielen!“ Ja aber, Junge und Mädchen? Ach was, das wird schon!“ So liebe Kinder, wenn ihr jetzt an Weihnachten ein Geschenk bekommt, wozu ihr einen Mitspieler braucht, dann sucht den bitte! Denn so helft Ihr den Weihnachtsmännern! Lasst sie nicht im Stich! Bankfinale Hochverehrte Leserschaft!Momentemal: Ein Dorf nimmt Platz! Momentaufnahmen: über 200 Photos von Bordenauer Menschen, Familien, Gruppen und Vereinen. Das ist doch alles schon Geschichte. Oder? Nein, die Ausstellung läuft noch auf eine große Abschiedsveranstaltung hin: am Samstag, dem 13.Dezember kommt Matthias Horndasch wieder einmal mit Jazz und Poesie nach Bordenau. Ab 20.00 Uhr wird er in der Scharnhorstschule Klänge , Texte und Photos aufeinander zu bewegen. Nur eine steht traurig dabei, dass nun alles vorbei sein soll: die Bank. Ja, die schöne braune Holzbank, ein Geschenk einer gleichnamigen Einrichtung fürs Volk. Was hat sie in diesen Jahren nicht alles erlebt : z.B. als sie angeregt durch den Journalisten Oliver Seitz mit dessen Gummistiefeln ausgestattet und beladen mit den „Kulturvögeln“ im Leinehochwasser stand oder als sie von den Mitgliedern des Jugend-Rot-Kreuzes mit Verbandszeug eingewickelt wurde oder sich in einen halbaufgeblasenen Heißluftballon mit der Familie Kuhn wiederfand oder als Theo Weingartner, der Hausmeister der Scharnhorstschule, in Ermangelung einer Leiter sie zum Kirschenpflücken benutzte oder sie von Kindern mit dem Kettcar über den zugefrorenen Dorfteich gezogen und geschoben wurde und der Schneemann, St.Martin, der Nikolaus und der Weihnachtsmann auf ihr Platz nahmen oder Verteidigungsminister Peter Struck nach dem Öffentlichen Gelöbnis kurz auf ihr verschnaufte oder ein Fotograf sich inspirieren ließ nach dem Vorbild des spanischen Malers Velasquez einen wunderschönen Rückenakt auf ihr zu inszenieren oder als sie immer tiefer im Leineschlick versank, während Clara und Ingolf Heinemann darauf sitzend auf das Kamerateam des NDR am Leineufer warteten - das und vieles mehr hat die geduldige Bank erlebt! „Bordenau – durch die Bank besser“ , hört man durch die Gassen und Winkel raunen! Und es gibt jede Menge Trost für die traurige Bank: die Photo-Ausstellung „Momentaufnahme“ wird im April/Mai nächsten Jahres beim Holzland Stoellger hängen und ab Juni im „Haus der Region“ in Hannover. Und im Mai 2004 soll schließlich auch der Bildband erscheinen, auf dem allemal die Bänke zu sehen sind. Und trösten Sie die Bank doch auch ein bisschen mit Ihrer Vorbestellung dieses Bildbandes jetzt schon über die Heimatseite www.Bordenau.de ! Wahres
Advent Hochverehrte Leserschaft!Es kann ja nicht wahr sein, dass alle Lichter der Weihnachtstage jetzt schon des Abends in den Gärten prangen! Statt Stille , Dunkelheit und Erwartung und Freude auf die heilsame Wende des Jahres übertreffen wir uns gegenseitig mit amerikanischem Prunk und überbordenden Elektrorechnungen. Nicht dass wir das Leben nicht liebten oder puritanisch in Sack und Asche gehen wollten, aber wenn schon die Kinder sich von kleinen Adventsüberraschungen nicht mehr begeistern lassen! Alice Herdan-Zuckmayer schreibt dazu in ihren Erinnerungen: “In den Fenstern der Häuser standen Christbäume mit bunten elektrischen Lichtern besteckt, die schon zwei Wochen vorm Weihnachtsabend allabendlich angeknipst werden und den Eindruck eines Faschingsfestes erwecken. Was aber in San Francisco noch bunt und lustig hersah, schien sich in Hollywood in eine gespenstische Meeresgrundlandschaft verwandelt zu haben. In Hollywood und den angrenzenden Bezirken sah ich noch zu Silvester Weihnachtsbäume auf Straßen und in Gärten stehen, die mit fahlblauen Lichtern besät in der schneelosen südlichen Landschaft wie verwesenden Algen aussahen, an die sich Leuchtfische geklammert hatten.“ Verwechsele diese Zitate niemand mit Anti-Amerikanismus und die vielen Lichter über Nacht schon gar nicht mit einem Bürgerengagement, der Abschaltung der Neustädter Straßenbeleuchtung entgegenzuwirken! Geben wir stattdessen mit Heinz Kattner eine konkrete Hilfe zur erfüllten Stille: „ Wenn lange genug das Schweigen dauert, wenn ich, kleiner werdend, den Kopf schräg halte, den Blick zurücknehme aus dem Fernliegenden - in eine Ecke auf eine Bretterwand richte, wenn nur das alte Holz noch das Auge beschäftigt: Äste, Risse, Maserung, wenn auch diese Namen verklungen sind auf dem Platz, auf den sich mit dem Körper die Sinne begrenzt haben, dann können andere Wörter aufsteigen. Diese erscheinen sonst nicht so bildhaft und spürbar. Es sind keine außergewöhnlichen Wörter, keine Erleuchtungen. Es ist nur so, dass in diesem Zustand die Wörter körperlich werden. Sie werden im Inneren von Empfindungen begleitet und bekommen eine Aura, als hätte sich Außerordentliches ereignet. Sie wurden nicht gesucht oder gebraucht. Heute war eines dieser Wörter: „bergen“. Es war da auf diese eindrückliche Weise. Und blieb!“ Weihnachtsmarkt
2003 Hochverehrte Leserschaft!Da staunte der Weihnachtsmann Bauklötze, als er am ersten Advent über den Kirchplatz in Bordenau flog. Über dem Weihnachtsmarkt hing eine süßliche Luft , erfüllt von gebackenen Maronen und erhitztem Rotwein. Überall glitzerten und funkelten in kleinen Hütten die buntschillernden Angebote von Spielzeug und Selbst-Gebasteltem. In das geschäftige und lärmende Treiben, das man überaus lustig nennen mochte, mischten sich zu allem Übermut auch noch dicke, schöne Schneeflocken. Und ein Leierkastenmann gab jedem eine kleine Erdnuss und wünschte viel Glück. In der hellerleuchteten St. Thomas-Kirche erklangen ab 14.00 Uhr gar wundersame Klänge: Musikgruppen und Chöre des Dorfes sangen feierliche und fröhliche Weihnachts- und Adventslieder. Ab 16.00 Uhr lasen Gemeindemitglieder und Mitglieder von „Bordenau – Unser Dorf liest“: Geschichten und Gedichte von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Geschichten aus der Bibel und literarische Utopien von B. Brecht über Joseph von Eichendorff bis Paul Cornelius. Das Ganze gipfelte in John Lennons „Imagine“, herrlich umspielt von Eckart Böhm an der Orgel. Im Zelt der Stiftung Bordenau gab Klaus Detering ab 14.30 Uhr eine Vorschau der Video-Dokumentation der Szenischen Lesung von Günter Grass „Im Krebsgang“ vom Oktober 2003. Manche glaubten – wie auch der Weihnachtsmann – sie hätten den Schriftsteller selbst mit Brille, Schnauzbart, Pfeife und einem Glas Rotwein in der Hand unter den interessierten Gästen gesehen. Aber da war der Weihnachtsmann schon im Schulzelt und lauschte den Wunschzetteln der Kinder. Darüber hatte er ganz vergessen, dass er eigentlich weiter nach Luthe musste, so gut gefiel es ihm hier in Bordenau... Spielen Sie doch selbst ein bisschen Weihnachtsmann und kommen Sie am kommenden Sonntag nach Bordenau! Hugo
Distler: Totentanz Hochverehrte Leserschaft!Heute schauen wir von dem Hauptdorf von Garbsen, Wunstorf und Neustadt, eben
Bordenau, über den literarischen Tellerrand, da bei dem „Totentanz“ von Hugo
Distler (1908 bis 1942) in der Stadtkirche Wunstorf zwei Neustädter,
Stephan Jacob und Martin Drebs, als Sprecher mitwirken. Die Motette zum Toten Sonntag für vierstimmigen Chor, Sprecher und Querflöte beschreibt, wie der Tod erst Kaiser, dann Bischof, Kaufmann u.a. herausfordert, angesichts des Todes Bilanz zu ziehen und sich vor Gott zu verantworten.
Zigeunermärchen Hochverehrte Leserschaft!Es waren einmal ein armer Mann und eine arme Frau, die hatten lange Zeit kei-ne Kinder. Da traf die Frau im Wald ein altes Weib , das zu ihr sprach: „Gehe nach Hause, zerschlage einen Kürbis, gieße Milch in denselben, und dann trinke sie. Du wirst einen Sohn gebären, der glücklich und reich werden wird!“ Hierauf verschwand das alte Weib, die Frau aber ging nach Hause und tat, wie ihr geheißen war. Nach neun Monaten gebar sie einen schönen Knaben. Doch nicht lange sollte die Frau glücklich bleiben, denn sie wurde bald krank und starb. Ihr Mann starb auch, als der Knabe zwanzig Jahre alt wurde. Dieser dachte: Ich gehe in die Welt und suche mein Glück! Er ging also von Dorf zu Stadt, fand aber nirgends sein Glück. Da kam er einmal in eine große Stadt, wo ein reicher König wohnte, der eine wunderschöne Tochter besaß. Ihr Vater wollte sie nur dem Manne zur Frau geben , der so etwas machen könne, was noch niemand auf der Welt gesehen hatte. Viele Männer hatten schon ihr Glück versucht, aber sie wurden alle vom König aufgehängt, denn sie konnten nichts neues machen. Als der Jüngling dies hörte, ging er zum König und sprach: „Ich will deine Tochter zur Frau haben; sag, was soll ich denn machen?“ Der König erzürnte über so viel Dummheit und sperrte ihn in einen dunklen Kerker. Kaum war die Tür zu, da wurde es hell und die hilfreiche Feenkönigin Matuya erschien. Sie sprach: „Sei nicht traurig! Du sollst noch die Königstochter heiraten! Hier hast du eine kleine Kiste und ein Stäbchen! Reiß mir die Haare von meinem Kopf und spanne sie über die Kiste und das Stäbchen!“ Der Jüngling tat also, wie ihm die Matuya gesagt hatte. Als er fertig war, sprach sie: „Streich mit dem Stäbchen über die Haare der Kiste!“ Der Jüngling tat so , wie ihm die Matuya gesagt hatte. Als er fertig war, sprach sie: „Streich mit dem Stäbchen über die Haare der Kiste!“ Der Jüngling tat es. Hierauf sprach die Matuya: „ Diese Kiste soll eine Geige werden und die Menschen froh oder traurig machen, je nachdem wie du willst.“ Hierauf nahm sie die Kiste und lachte hinein, dann begann sie zu weinen und ließ ihre Tränen in die Kiste fallen. Sie sprach zum Jüngling: „Streich nun die Haare der Kiste!“ Der Jüngling tat es, und da strömten aus der Kiste Lieder , die das Herz bald traurig, bald fröhlich stimmten. Als die Matuya verschwand, ließ sich der Jüngling zum König führen. Er sprach zu ihm: „Nun also höre und sieh, was ich gemacht habe!“ Hierauf begann er zu spielen, und der König war außer sich vor Freude. Er gab dem Jüngling seine schöne Tochter zur Frau, und nun lebten sie alle in Glück und Freude. So kam die Geige auf die Welt. So erzählt es ein altes Zigeunermärchen!
„Gespräch mit einem Überlebenden“ Hochverehrte Leserschaft!Heute meldet sich Erich Fried zu Wort, hauptsächlich zum 9.November, doch sein „Gespräch mit einem Überlebenden“ ist von universellerer Geltung: Was hast du damals getan, was du nicht hättest tun sollen? "Nichts" Was hast du nicht getan, was du hättest tun sollen? "Das und Das, dieses und jenes: Einiges" Schafft
das Theater ab ! Hochverehrte Leserschaft!Schafft das Theater ab! Macht die Lichter aus! Lasst den Theater- und Konzertkreis auskreiseln! Schließt die Musikschule! Streicht dem Kulturforum die Portokasse! Verhindert, dass Kinder und Jugendliche was Schönes und Sinnvolles mit Freude und Disziplin lernen! Lasst keine fröhlichen Musikensembles mehr zu den Dorffesten oder Brückeneinweihungen kommen! Soll doch niemand mehr in großer Zahl zusammensitzen und mit Spaß den Komödien oder Musicals lauschen! Was brauchen wir Kultur? Wofür? Doch nicht für die Eitelkeit der Politiker, wenn Gäste aus aller Welt unsere Stadt besuchen! Man sieht die Menschen friedlich vor den Fernsehern sitzen, in der wohl ersten Stadt Deutschlands, die ihre Musikschule schließen will! Lebensqualität? Vergleichbare Lebensbedingungen in ganz Deutschland? Verfassungsauftrag? Von wegen! O lieber Regierungspräsident! Übernehmen Sie diese Stadt! Die politischen Menschen guten Willens und Gewissens, die sich zum Wohle eines Gemeinwesens einsetzen wollten, verstoßen hier nicht nur gegen die Grundsätze unserer guten Verfassung! Sie beleidigen auch den Geist einer ganzen Nation! Kulturnation Deutschland? Lächerlich! PISA-Studie ? Nie gehört! Schon geht die Axt an die Stadtbibliothek, die ganz vorzügliche Arbeit leistet! Zahlt mehr Mahngebühren für Neuerscheinungen? Warum denn? Es ist doch schon alles gesagt und geschrieben worden! Stampft die Zeitungen ein! Unterstützt das Lokalradio nicht! Gebt teure Imageanalysen in Auftrag! Schickt die jungen Familien in die Leine schwimmen, die ihre Qualität sogar mit Hannoveraner Wasser anreichert! Friert die Jugendpflege ein! Schafft das Theater ab! Und unser lesendes Dorf gleich mit! Lasst die Kälte einziehen und die Leere! Oder legt Eure Ämter nieder, weil das nicht kommen darf! Und lebenslanges Kulturverbot für den, der da mitmacht! Der Rest ist Schweigen (Hamlet)! Herbst
lesen Hochverehrte Leserschaft!Ach ja , der Herbst! Licht und Blätter und alle Welt dichtet dazu. Die neunjährige Aline: „Der Herbst. Es ist Oktober und die Blätter sind bunt. Die Kastanien fallen vom Baum, die Schafe kriegen ihr weiches Fell für den Winter. Ein frischer Wind weht, der Apfel aber steht. Die Blätter wehen vom Baume, aber keine Traube.“ Und Hebbel sein „Herbstbild“: Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält, denn heute löst sich von den Zweigen nur, was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. “Und Rilkes „Herbst“: Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Altarbild
in Otternhagen Hochverehrte Leserschaft!Am Mittwoch, dem 22. Oktober 2003, kommt es ab 19.00 Uhr in der Johanneskirche in Otternhagen wieder zu einem besonderen literarischen Abend. Die Gästeführerinnen der Stadt
Swantje Grimrath und Uta Jessen bieten interessierten Besuchern eine ungewöhnliche Annäherung an das Altarbild des
Kunstmalers Werner Petzold. Neben zentralen christlichen Inhalten zeigt dieses Bild auch
Gewalterfahrungen der Menschen unserer Zeit, was seinerzeit zu heftigen Diskussionen in der Gemeinde führte. Zwei der ausgewählten Texte seien hier schon zur Einstimmung auf diesen Abend vorgestellt.
Martin Gutl führt mit seinem „Tanzenden Hiob“ mitten hinein: „Für einen Augenblick lang in einer Kirche stehen. Für einen Augenblick lang eins sein mit den Steinen des Bodens, mit den Mauern, mit den Fenstern, mit den Bögen, den spitzen und den runden, Mit Himmel und Erde, mit Gestern und Heute, mit Leib und Seele, mit dir und den anderen, mit Freunden und Feinden, mit Gott in mir, und Gott außer mir. Für einen Augenblick lang nichts als sein. Ewig sein, Mensch sein.“ Und das wunderbare Gedicht
„Nis Randers“ von Otto Ernst: „ Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd - Ein Schrei durch die Brandung! Und brennt der Himmel, so sieht man's gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut; gleich holt sich's der Abgrund. Nis Randers lugt - und ohne Hast spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen." Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein! Dich will ich behalten, du bliebst mir allein, ich will's, deine Mutter! Dein Vater ging unter und
Momme, mein Sohn; drei Jahre verschollen ist Uwe schon, mein Uwe, mein Uwe!" Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach! Er weist nach dem Wrack und spricht gemach: "Und seine Mutter?" Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs: Hohes, hartes Friesengewächs; schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muss es zerschmettern...! Nein: es blieb ganz!...Wie lange? Wie lange? Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
die menschenfressenden Rosse daher; sie schnauben und schäumen. Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt! Eins auf den Nacken des andern springt
mit stampfenden Hufen! Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt! Was da? - Ein Boot, das landwärts hält - Sie sind es! Sie kommen!
- Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt... Still - ruft da nicht einer? - Er schreit's durch die Hand: "Sagt Mutter, 's ist Uwe!" Grass-Kritik Hochverehrte Leserschaft!Paul Cornelius berichtet über die Lesung des Buches von Günter Grass „Im Krebsgang“ letzte Woche in Bordenau: „ Keine leichte Kost, die die Initiative „Bordenau – unser Dorf liest“ den Bordenauern und auswärtigen Gästen zutraute: Die ganze Novelle an zwei Tagen. Und eigentlich ein Text, der für eine „Szenische Lesung“ erst noch eingerichtet werden musste. Doch das Konzept ging auf. Die meist weit über fünfzig Besucher, darunter viele Dauergäste, trugen die Umsetzung intensiv mit. Die Akteure brachten die verschiedenen Rollen und Figuren in der Textverteilung exakt auf den Punkt. Allen voran Schauspieler Peter Mürmann, der mit seinem berichtenden Ich-Erzähler durch die gesamte Lesung kompetent und spannungsreich führte. An seiner Seite die schillernde Tulla Pokriefke, mitreißend und facettenreich von Vera Urich im überzeugenden ostpreußischen Dialekt präsentiert. Peter Johannsen stand als Kapitän majestätisch hanseatisch auf dem in die Sporthalle gebauten Schiff „Wilhelm Gustloff“, quasi „unter“ ihm U-Boot-Kommandant Marinesko, gelesen von Friedrich Mauthe, in dessen eindringlicher Stimme auch die verordnete Stille im U-Boot zu hören war. Überhaupt das gelungene Bühnenbild: von Tullas Küche über die historischen Szenarien bis zum Schiff eine geniale Verknüpfung von Familien- und Zeitgeschichte. Am scheinbar gleichen Tischtennistisch sitzend, gleichzeitig an zwei Computern aber meilenweit voneinander entfernt die beiden jugendlichen Internetchatter, gespielt und gelesen von Elisa Wege und Eike Vogt. „ Sie hätten Freunde sein können“ schreibt Grass, so aber trafen mit ihnen extreme politische Positionen aufeinander, die – sich zu nahe kommend – zufällig tödlich enden können. Ihre Internetbegegnungen – eingerichtet von Peter Breitenstein - wurden auf Leinwand fürs Publikum zum Mitlesen projiziert ebenso wie historische Bilder. Pianist Meenhard Fokken umspielte die Lesung mit Schlagern und Chansons der Dreißiger und Vierziger Jahre . Überragend sein ergreifendes Reqiem beim Untergang des Schiffes. Wieder eine gelungene Würdigung des „Tages der deutschen Einheit“. Dass es dabei fast zu den „Bordenauer Festspielen“ à la Salzburg kam, ist auch der bestechenden Figur der Erzählerin „Tod“ zu verdanken, die Austra Daecke voll erfüllte. Und mit dem Alten hat sich Grass selbst ins Buch eingeschrieben , in Bordenau von Horst Meister mit nachdrücklichem Ernst dargebracht. Wer nicht da war, hat etwas ganz Besonders verpasst. Zum Glück stellt Klaus Detering demnächst ein Video her, das man auch noch bequem über www.Bordenau.de bestellen kann. Einladung
zum Krebsgang Hochverehrte Leserschaft!Und wohl auch geneigte Hörerschaft! Denn wir möchten Sie von hier aus ganz herzlich zu unserer Szenischen Lesung „Im Krebsgang“ von Günter Grass am 3. und 4. Oktober nach Bordenau einladen. Diese historische Novelle schildert die Vorgänge um den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ gegen Ende des 2.Weltkrieges. Die Historiker jubeln: So genau ist das noch nie erzählt worden; kein TV-Feature, kaum ein Geschichtsunterricht reicht daran. Günter Grass greift dieses Thema und dessen Auswirkungen bis heute auf, um es in eine kritische und fortschrittliche Geschichtsschreibung zu überführen. Wir Bordenauer haben daran jetzt über ein Jahr gearbeitet und lesen das ganze Buch mit verteilten Rollen, um aktive Erinnerung zu betreiben, um Völkerverständigung erst recht möglich zu machen, ohne die Beispiellosigkeit der deutschen Geschichte leugnen zu müssen. Es ist – nach FAUST, Heinrich Heine und der „Vielstimmigkeit der Deutschen“ - wieder eine außergewöhnliche Produktion entstanden. Nicht Klassiker, nicht Heines Satire und nicht die Besonderheit einer Revue stehen an, sondern die exakte historische Erzählung mit persönlicher Beteiligung, deren Wahrhaftigkeit erst recht Verständigung möglich macht. Wir lesen das ganze Buch verteilt auf beide Tage; es zu kürzen war uns nicht möglich! Sie können aber gerne zu den jeweiligen Anfangszeiten der sechs Blöcke, die an beiden Tagen um 12. 00 Uhr, um 14.00 Uhr und um 16.00 Uhr beginnen, zu uns kommen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, um dann länger zu bleiben. Dabei bekommen Sie fast schon alles mit, denn Grass erzählt nach „Art der Krebse, die den Rückwärtsgang seitlich ausscherend vortäuschen, doch ziemlich schnell vorankommen“, aus der Sicht aller Beteiligten, auch in Rückblenden und Vorgriffen. Wir bringen die Kontakte der beiden Jugendlichen, die sich in der Novelle erst im Internet (www.blutzeuge.de) begegnen auf eine Leinwand, ebenso historische Einspielungen vom Schiff und anderen historischen Ereignissen. Ergänzt wird die Szenische Lesung in der Sporthalle Bordenau mit Schlagern und Chansons der Dreißiger und Vierziger Jahre durch Pianist Meenhard Fokken. Und durch die Erzählung führt Schauspieler Peter Mürmann, seit seinem Faust mit unseren Projekten intensiv verbunden. Seien Sie also dringend eingeladen, um hinterher mitreden zu können! |
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