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Unser Dorf liest

Arbeitskreis "Unser Dorf liest"

Kolumnen - Archiv 2020


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Die Helden des Alltags 2020
988. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 29.12.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Was für ein Jahr: 2020? Fragt sich auch Rapper Anton Drebs:
„Was für ein Jahr (2020)
Jetzt neigt es sich schon seinem Ende
Doch wir sind noch da (2020)
Das Schicksal in unseren Händen
Für viele nicht einfach
Doch in der Gemeinschaft -
Entstand in vielen Bereichen ein Einklang (2020)
Weil man alles besser zusammen als allein kann
Die Natur ja sie wehrt sich
Der Zustand ist längst schon gefährlich
Schon für aussichtslos gehalten
Bleibt nun längst nichts mehr beim Alten
Erlebten Solidarität in ganz vielen Belangen
Sind gegen Gewalt auch auf die Straßen gegangen
Weg mit blindem Hass und Zynismus
Auf dieser Welt ist kein Platz für Rassismus (2020)
Im Radio läuft Torch mit: Wir waren mal Stars
Danke an Pfleger, Ärzte und die Kassierer im Supermarkt
Die Jobs, die ihr macht sind sowas von hart
Auf die Helden des Alltags erheben wir unser Glas
2020 in Zeiten der Krise mehr Zeit für Familie
2020 in Zeiten wie diesen bleibt uns nur die Liebe
Ja, ich weiß es war nicht alles perfekt -
Doch wir halten zusammen und drücken auf Reset
2020 in Zeiten der Krise mehr Zeit für Familie
2020 in Zeiten wie diesen bleibt uns nur die Liebe
Ja, ich weiß es war nicht alles perfekt -
Aber immerhin ist Donald Trump bald weg“


Es war dem Menschen die Freiheit gegeben...
987. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 22.12.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Größeres wolltest auch du:
Es war dem Menschen die Freiheit gegeben,
Aufzubrechen, wohin er will.
Wenn sich die Lager leerten, zogen wir weiter.
Doch die Welt ist voll und eng geworden,
Aus Angst richten sich die Grenzen wieder auf.
Doch das verordnete Innehalten will nicht wesentlich werden.
Stille umfasst dein stolzes Herz,
Leer und verlassen sind die Städte,
Zurückgeworfen auf Haus und Hof.
Was gründet Gemeinschaft jetzt noch?
Die Erinnerungen? Lächeln auf bunten Monitoren?
Nimm deine Maske ab
Und zeig dein wahres Gesicht;
Wend´ es zum Himmel, nicht hinab,
hoffend auf neues Licht!


Weihnachten
986. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 17.12.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Wie seltsam prophetisch klingen die alten, schönen Gedichte, so das „Weihnachten“ von Joseph von Eichendorff:
„Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in´s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!“


„Der Weihnachtsschein“
985. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 10.12.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Ingrid Bruchwald von der „Textschmiede Wunstorf“ präsentiert: „Der Weihnachtsschein“: „Das Weihnachtsfest steht vor der Tür und damit auch schon fast der zu erwartende Besuch. „Onkel Paul und Tante Gertrud haben angerufen“, verkündet Gabriele, als ihr Mann Peter am Abend nach Hause kommt. „Und?“ Er hängt seinen Autoschlüssel an den freien Haken. „Sie möchten uns zu Weihnachten besuchen.“ „Schön! Deine Eltern kommen doch auch. Das wird bestimmt ein nettes Fest.“ „Ja, das denke ich auch“, antwortet Gabriele, während sie im Geiste schon mit der Planung des Festtagsmenüs beschäftigt ist. „Was wollen wir ihnen denn schenken? Paul und Gertrud kenne ich nicht so gut, dass ich weiß, über was sie sich freuen würden und meine Eltern haben ja eigentlich alles. Hast du eine Idee?“ „Wir schenken Onkel und Tante und auch deinen Eltern jeweils 100 Euro", schlägt Peter vor. "Das ist gerecht und davon können sie sich etwas kaufen, das ihnen Freude macht.“ „Wie, einfach so einen Schein? Ist das nicht etwas - unweihnachtlich?“, fragt sie zweifelnd. „Steck die Scheine in einen farbigen Umschlag, schreib was Nettes dazu und kleb ein paar Engelchen drauf. Sei einfach ein bisschen kreativ, das schaffst du schon.“ Am Heiligen Abend sitzen dann alle - mit dem Verdauen der krossen Weihnachtsgans und der leckeren Kekse beschäftigt - träge und etwas maulfaul in der weihnachtlich geschmückten Stube. Die Kerzen am Baum tauchen das Zimmer in ein warmes Licht. Schwerfällig erhebt sich Onkel Paul, schließt diskret den Hosenbund und meint: „Ich glaube, es ist nun Zeit für die Bescherung. Da wir uns so lange nicht gesehen haben, wussten wir nicht so recht, was euch freuen würde.“ Umständlich kramt er einen leicht verknickten, mit Engelchen verzierten Umschlag aus der Innentasche seines Sakkos. „Hier bitte, kauft euch davon etwas Schönes!“ „Danke“, sagt Gabriele und öffnet den Umschlag. „Oh, schau mal Peter 100 Euro!“ Bedeutungsvoll blickt sie ihren Mann an. „Na, da wollen wir es auch gleich hinter uns bringen! Hier mein Kind, das ist für euch. Kauft euch davon etwas, das euch Freude macht!“ Der Vater schiebt ihr ein mit Engelchen beklebtes goldfarbenes Kuvert zu. „Oh, noch mal 100 Euro! Vielen Dank!“ Hilfesuchend schaut sie zu Peter, doch der ist gerade mit dem Öffnen einer Flasche Marke Verdauungsschnaps beschäftigt. Entschlossen holt sie deshalb nun ihre zwei mit Engelchen verzierten, silbrig glänzenden Umschläge heraus, überreicht sie lächelnd und meint: „Auch wir wussten nicht, was wir schenken sollten.“ Zunächst sehen sie sich betreten an, die engelchenbeklebten Kuverts mit den 100 Euro in den Händen. Dann beginnt Onkel Paul prustend zu lachen – und nach und nach stimmen alle ein. „Na, das ist ja eine Weihnachtsüberraschung!“, schnauft Tante Gertrud und wischt sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Und jeder Umschlag festlich mit Engelchen verziert“, kichert Gabriele, „wie kreativ!“ Peter nimmt sie lachend in den Arm. „Im nächsten Jahr machen wir es besser! Und nun lasst uns anstoßen, auf dieses unvergessliche Fest und auf unseren ‚Weihnachtsschein’!“


Realo
984. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 26.11.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Wir kennen ihn alle als den „Mister Leserbrief“ des Neustädter Landes und seine engagierten, kritischen, ambitionierten Zuschriften, die manche Missstände wieder zu Recht rückten – der Leserbrief als sozusagen „Fünfte Gewalt“! Die Rede ist von Manfred Korte aus Bordenau. Und da bekanntlich Bordenau nicht nur liest, sondern auch schreibt und dichtet, hat er uns ein zur Zeit passendes Gedicht mit dem Titel „Realo“ geschickt:
„Corona trifft die Krone der Schöpfung
Hat Gott uns seine Gunst entzogen
Für die Gläubigen eine Ernüchterung
Die anderen fühlen sich nicht betrogen
Das Unglück begann schon mit Eva und Adam
Seitdem leiden wir alle gemeinsam
Es gibt aber auch noch andere Götter
Deren Gefolgschaft geht es auch nicht besser
Das ist das Ende aller Heiterkeit
Man nennt es göttliche Gerechtigkeit
Drum lasst uns fröhlich weiterleben
Unbeschwert, mit und ohne Erdenbeben.“


Schreibwerkstatt
983. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 19.11.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Alle Jahre wieder erinnern wir hier gerne an das dereinst im Rübenberger Verlag erschienene Buch der Bordenauer Schreibwerkstatt: „Lebensabend mit Goldrand oder die zweite Erfindung des Glücks“ - von Christine Köpcke, Martin Drebs und Elke Wille gemeinsam verfasst. Jetzt erinnerte sich Christine Köpcke an die Entstehung des Buches und den besonderen gemeinsamen Prozess der künstlerischen Schöpfung: „Das eigene Buch – es war viel mehr als Schreiben. Schreibwerkstatt-Bücher werden üblicherweise mit mehreren Autor/innen so verfasst, dass es ein bestimmtes Thema gibt, zu dem jede/r Einzelne etwas schreibt. Unterschiedliche Sichtweisen (meist eigene Erfahrungen) und vielfältige Schreibstile ergeben interessante Möglichkeiten. Zur Entstehung unseres Buches „Lebensabend mit Goldrand“ passt ein kürzlich erschienener Artikel zur TV-Serie „Babylon Berlin“ über die drei Regisseure: „… Diese Arbeitsweise erstickt jedes Anspruchsdenken im Keim. Das ist meine Szene! Das ist meine Episode! - so etwas gibt es nicht. Dieses Projekt ist perfekt dafür, Egos zu bändigen.“ So haben wir „Goldrand“ geschrieben. Es gab etliche Differenzen um Themen und persönliche Ausdrucksweisen, die uns unsere Toleranz-Grenzen aufgezeigt haben. Wir waren ‚gezwungen‘, unser Unbehagen anzusprechen, ohne den Anderen mit Formulierungen zu verletzen, uns mit seiner Gedankenwelt auseinanderzusetzen und dann gemeinsam einen Kompromiss zu finden. „Sich einigen“ oder „aussteigen“ - diese Phase hat wohl jeder durchlebt. Der Vorteil bei mehreren Autoren lag eindeutig darin, dass bei jedem Treffen die bisherigen Texte reflektiert, auf ihre Zusammengehörigkeit überprüft und neue Figuren und Szenen erfunden wurden. Dabei tauchte jedes Mal die Frage auf, in welcher Richtung es weitergehen sollte – bis zum (auch für uns selbst überraschenden) Schluss, an dem Ende und Anfang zusammenfließen. So sind einzelne Geschichten entstanden, die in sich abgeschlossen sind, aber gleichzeitig in die vorgegebene Struktur passen und miteinander in Verbindung stehen (Monats-Abfolge März-Februar, Seniorenresidenz als Handlungsort). Es ergab sich auch, dass ein/e Autor/in in den Text eines/r anderen einzelne Szenen einfügte – alles im Einverständnis untereinander! Der Stolz, das sichtbare Werk in den Händen zu halten und im Buchladen ausgestellt zu sehen, ergänzte sich mit der erlebten Entwicklung eigener Charaktereigenschaften als ganz persönliche Bereicherung.“ Das tolle, unmaskierte Buch kann in der Bücherbude in der Holunderapotheke coronagemäß ausgeliehen werden.


Die Spanische Grippe
982. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 12.11.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Unsere hier platzierte literarische Kolumne ist und bleibt auch immer der Aufklärung und der Wissenschaft verbunden. Auch der Geschichte! Heute zitieren wir aus gegebenem Anlass Auszüge aus dem Artikel von Dr. Ingolf Dürr, erschienen in: „Der Allgemeinarzt“, 2018; 40 (4) Seite 72-74:„Viel schlimmer war die zweite Infektionswelle im Herbst 1918. Diese breitete sich rasant über den gesamten Erdball aus und verlief sehr oft tödlich. Eine dritte Welle im Frühjahr 1919 war ähnlich schlimm. Die meisten der Infizierten starben an akutem Lungenversagen, die Haut der Betroffenen war oft dunkelblau vom Sauerstoffmangel. Wer sich morgens noch etwas krank fühlte, war abends oft schon tot. Ungewöhnlich häufig fielen der Grippe junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren zum Opfer. Allein im damaligen Deutschen Reich sollen mehr als 400.000 Menschen gestorben sein, in den USA geht man von mehr als 600.000 Todesopfern aus. Prominente Opfer waren der Maler Egon Schiele, Max Weber oder der Großvater von Donald Trump, Frederik Trump. Die "Spanische Grippe" war ein globales Ereignis: Sie trat auch in entlegenen Regionen Russlands auf, ebenso wie in Indien, wo es allein schon geschätzte 17 Millionen Opfer gab, aber auch in Westafrika und auf den Philippinen. Auf Samoa starben 20 % der Bevölkerung. Die Zahl derer, die sich damals mit dem Virus infizierten, schätzen Experten auf 500 Millionen Menschen, was einem Drittel der damaligen Weltbevölkerung entsprach. Die Todesrate lag 25-mal höher als bei anderen Influenza-Epidemien. Dass es sich bei dem Krankheitserreger um das Influenza-Virus handelte, wusste man damals noch nicht. Dieses wurde erst 1933 entdeckt. Viele Ärzte verdächtigten deshalb ein ominöses Grippe-Bakterium als Ursache für die Pandemie…. Da der Erreger der Grippe unbekannt war, machten auch Verschwörungstheorien aller Art die Runde. Schließlich herrschte ja auch noch Krieg und man verdächtigte sich gegenseitig der biologischen Kampfführung. Und man griff teilweise auch zu drastischen Maßnahmen, mit denen man die Epidemie einzudämmen versuchte. So wurden in New York 500 Personen verhaftet, die entgegen eines polizeilichen Verbots auf der Straße ausgespuckt hatten. Wer keine Gesichtsmasken trug, musste mit einer Geldbuße rechnen. Als der Erste Weltkrieg dann zu Ende war, gab das der Pandemie noch einmal einen Schub. Hunderttausende Menschen feierten den Frieden auf den Straßen, lagen sich dabei in den Armen und verbreiteten so das Virus untereinander. Gleichzeitig kam es zu großen Truppenverschiebungen, Soldaten kehrten heim und brachten das Virus als tödliches Souvenir mit.“


Wahl des Präsidenten
981. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 5.11.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Komiker Harry Lewandowski hat uns einen kleinen humoristischen Beitrag geschickt: „Jetzt wurde bei uns letztens im Verein auch wieder gewählt. Motto: Demokratie jetzt erst recht! Das war vielleicht ein Durcheinander. Erstmal hatten die gar kein aktuelles Mitgliederverzeichnis und wussten gar nicht, wieviel überhaupt wählen durften. Da hieß es dann, der eine kommt gar nicht von hier, der darf gar nicht mitwählen, und ein anderer, von dem vermutete man, der sei schon mal im Gefängnis gewesen, der darf auch nicht wählen. Und dann haben die wochenlang vor der Versammlung schon Briefwahl gemacht, weil einige in Urlaub wollten. Da haben die die Wahlzettel in so einen Karton getan, der war auf einmal weg, weil der große alte Vorsitzende den unter der Theke versteckt hatte. Während der laufenden Wahl erklärte der sich plötzlich als Sieger, da war aber was los, es gab richtige Tumulte. Endlich war die Auszählung fertig, der alte Vorsitzende wollte sich mit dem Ergebnis nicht zufriedengeben; es wurde schließlich ein anderer Älterer gewählt, der nahm aber die Wahl nicht an; er fühle sich zu alt für die Herausforderungen des Vereins. Das erinnert mich doch stark daran, wie wir Kinder früher in unserer Budenstadt den Bürgermeister wählten: in der Wahlbude war ein Holz mit dem Namen der Kandidaten; jeder durfte einzeln rein und einen Ritz bei seinem Kandidaten machen, nur nicht bei sich selbst; hab ich aber gemacht und wurde mit einer Stimme Mehrheit Budenmeister. So geht das! Demokratie jetzt erst recht!


Zeitumstellung
980. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 29.10.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Nur gut, dass das schon wieder eine Woche her ist. Gehen bei Ihnen mittlerweile wieder alle Uhren richtig? Und: „Können Sie mir sagen, wie spät es ist?“ -Kann ich nicht; da müsste ich Ihnen ja etwas über die Zeit sagen!“. So der feinsinnige Humor des Kabarettisten Werner Fink. Oder Bertolt Brecht. „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten, schon das arglose Wort ist töricht…“ Nun ging es wieder um die Zeitumstellung und die zahllosen Merksprüche: ´Gartenmöbel raus gleich eine Stunde vor, dann im Herbst wieder zurück. Ja, gibt´s das denn überhaupt noch? Die EU hatte doch bei bewusstem Tageslicht darüber abstimmen lassen und sie sollte wieder abgeschafft werden. Und was brächte sie auch? Der Langschläfer kriegte gar nicht mit, dass die Sonne früher oder später aufgegangen ist. Die Sonne macht die Nacht einfach durch. Und die wenigen Abendfeierer kurz vor der Sperrstunde, zwei Haushalte maximal, die feiern sowieso privat durch. Und wo ist das ganze Jahr eigentlich hin? Von den – sagen wir - 360 Tagen, da können wir getrost 240 Tage abziehen, wenn wir sowieso nur ein Drittel arbeiten. Dann davon die 104 Wochenenden abziehen, da bleiben dann noch 16 Tage zum Gesundschuften und Krankfeiern. Vielleicht sollte man die Wocheneinteilung ändern; Das hat erstmals die Sowjetunion versucht, danach sollte die Woche 10 Tage umfassen, um so die Produktion noch besser anzuheizen. Wenn wir das nun "coronamäßig" umdrehen, und voll auf Entschleunigung setzen, können aus einem Jahr mit 52 Wochen gerne 104 werden, dann sind es zwölf Wochen Urlaub - dadurch haben wir unglaublich viel Zeit gewonnen und wir können uns bequem zurücklehnen. Unsere Neustädter Zeitung müsste allerdings dann auch wieder doppelt so oft , also Mittwoch beziehungsweise Samstag doppelt erscheinen. Jetzt bin ich nur gespannt, wie der Virus auf die Zeitumstellung reagiert. Ohne den Betroffenen zu nahe zu treten, ich hoffe aber, dass er doch noch aus der Zeit fällt, irritiert darüber, dass die Menschen ihre Uhren verstellen können, wobei eine stehende Uhr zweimal am Tag die richtige Zeit zeigt, während eine andere nur hinterherläuft. Und diese zusätzliche Stunde vom Jahr 2020 hätte man sich auch sparen können! Also, Kopf hoch, alles mit Abstand betrachten!


Poesie und Werbung
979. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 15.10.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Achtung, vorab eine Lesewarnung: Die folgende Kolumne enthält Produktplatzierungen! Doch Spaß beiseite, es gab eine Zeit, in der sich die profane Warenwelt und die Poesie der Dichter begegneten, so in den Werbesprüchen zu Anfang des 20.Jahrhunderts. Da war Reimkunst gefordert, zum Beispiel wurde Frank Wedekind (Theaterdichter u.a. von „Frühlingserwachen“) der Spruch zugeschrieben: „Feuer breitet sich nicht aus, hast du Minimax im Haus“ (Feuerlöscher). Und das gemeine Volk spöttelte poetisch mit: „Minimax ist großer Mist, wenn du nicht zu Hause bist.“ Heute durchdringen poetische Ergüsse ganze Branchen, so bei Badezusätzen: „Sternenstaub Badeschaum“, „Auf Sternschnuppen warten ist mir zu langweilig…, ich pack das Glück viel lieber selbst beim Schopf und bau auf meine inneren Stärken…so werden Träume schneller wahr“; „Badekristalle Waldspaziergang“ Aufatmen und Erholung tanken, „Sinnenreise ans Meer“ Abtauchen in einen kleinen Kurzurlaub, Achtsamkeitsritual „Nachtruhe“ Lavendel Pflegebad, „Wohliges Winterglück“ Pflegebad mit wohlig-würzigem Duft, „Gemütliche Kuschelstunde“ undsoweiter. Ganz besonders stimmungsvoll wird es auch bei den Teesorten: Wellness Tee zum entspannten Kennenlernen. Für einen ruhigen Tee-Moment in hektischen Zeiten. Zum Thema Fasten gibt es gleich ein ganzes Set: Da finden sich gleich drei ausgesuchte Fastentees zur Unterstützung Ihres Vorhabens. …, ein Heiltee aus China wird dort seit vielen Jahrhunderten auch zum Fasten getrunken. Er schmeckt würzig-erdig und ist der perfekte Tee für den Morgen. Der Früchtetee Sportsfreund enthält viele Vitamine und sorgt den ganzen Tag über für gute Laune. Der Bio Mate Tee mit Lemongras ist ein echter Wachmacher für zwischendurch. Zudem sagt man dem magischen Trunk der Indios eine appetithemmende Wirkung nach.“ Und der Winter naht: „Wärmende Teesorten, winterlich oder weihnachtlich gewürzt in großer Auswahl als lose Teesorten oder auch im praktischen Pyramidenbeutel…“ Wie wär´s mit „Knusperhäuschen“ oder gar „Kaminfeuer“. Wie dem auch sei: Wir dichten hier auch weiter für Ihre literarische Wellness.


Dorfarzt Dr. Schliehe-Diecks
978. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 8.10.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Pastorinnen kommen und Lehrer gehen, doch der Medizinmann, der bleibt bestehen. So wirkte er 35 Jahre lang, da wird´s auch dem Gesündesten bang.
„Der gute Arzt ist nicht zu zärtlich, doch ist er auch nicht eisenbärtlich.“
Er ist ein guter Mediziner, „erst Menschheits- und dann Geldver-diener.“
Nie sagte er: „Gelebt, geliebt, geraucht, gesoffen! Und alles dann vom Doktor hoffen!“ War er denn Landarzt oder stadtteilstädtisch? Man kann nur sagen: er war einfach zuverlässig!
Leistete manche Nacht das Beste Und ging auch ins Dorf auf so manches Feste.
Die Stiftung Bordenau führte er milde und weis` Er war bestimmt kein ´Gott in Weiß´;
Er war kompetent, verantwortungsvoll und freundlich. So fühlten wir uns in seiner Obhut so gut wie unsterblich.
Und sein Team war und bleibt ´Erste Klasse´: Erst der Mensch und dann die Kasse!
Wünschen wir ihm, dass er seinen Unruhestand genießt. Und endlich als neuer Leser bei „Bordenau liest“ liest.
Denn nun macht er selber nicht mehr „Pieks“: Alles Gute, Dr. Josef Schliehe-Diecks!“
(Die Zitate stammen aus Eugen Roth ,“Die Ärzte“)


Wilhelm Busch am 3. Oktober
977. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 1.10.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Bei der Lautsprecherwagenfahrt durch Bordenau am 3.Oktober 2020 zwischen 15 und 17 Uhr hören Sie nicht nur Texte zur Lage der Nation, sondern auch Herbstgedichte von Rilke und Hebbel und von Wilhelm Busch das Gedicht „Im Herbst“:
Der schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
so manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Sie ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewusst bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.


Brieffreundschaft
976. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 24.9.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Die Autorin Ingrid Bruchwald von der Textschmiede Wunstorf schickt uns ihren Versuch, einen ganz normalen Brief aus dem Urlaub zu schreiben: „Ich will nicht über Corona schreiben. Auch in Zeiten von Email und Whatsapp pflege ich noch eine Brieffreundschaft. Zugegeben, wir telefonieren auch häufig miteinander, freuen uns aber, wenn wir einen per Hand adressierten Briefumschlag aus dem Postkasten fischen können, in dem sich kein glücksverheißendes Rubbellos verbirgt oder das "Rundum-Sorglos-Paket" einer menschenfreundlichen Versicherung. Nun ist so viel in den vergangenen Wochen passiert. Ich setze mich an den Schreibtisch, ziehe ein Blatt lindfarbenes Briefpapier aus dem Kasten und greife nach meinem Füller. Liebe Britta, beginne ich. Wovon könnte ich ihr zuerst berichten? Vielleicht von der Einschulung unserer Enkelin, die wegen Corona so ganz anders verlief als der erste Schultag noch im letzten Jahr. Oder schreibe ich erst einmal über das Klönkäffchen mit Silke? War richtig nett. Silke gehört ja zur Risikogruppe. Deshalb wollten wir das gute Wetter nutzen und uns risikoarm im Freien treffen. Hm, eigentlich will ich nichts über Corona schreiben! Also nochmal: Liebe Britta, ich hoffe, es geht dir gut! Wir sind alle gesund. Letzte Woche waren wir für drei Tage an der Ostsee. Herrlich! Allerdings war es auf der Promenade sehr voll und nicht jeder hielt sich an die Regeln. Ups - ich wollte doch nicht über Corona schreiben! Entschlossen streiche ich den letzten Satz. Nun werde ich den Brief noch einmal sauber abschreiben müssen. Letzte Woche waren wir für drei Tage an der Ostsee. Herrlich! Die meiste Zeit schien die Sonne. Das Essen in unserem Fischrestaurant war mal wieder lecker. Allerdings mussten wir uns vorher telefonisch anmelden. Mist! Ich streiche den letzten Satz. Am Nachmittag wollte ich dann noch nach einer neuen Windjacke für mich schauen. Die bekommt man am besten an der Küste. Doch das Stöbern mit Maske machte nicht so wirklich Freude. Ich wollte doch nicht über Corona schreiben! Resigniert knülle ich den Briefbogen zusammen. Wenn ich meinem guten Vorsatz - Ich will nicht über Corona schreiben- treu bleiben will, so hilft nur eins: Ich greife zum Telefon...“ Dieser Text wird auch bei unserer Lautsprecherbus-Lesung am 3.Oktober 2020 zwischen 15 und 17 Uhr durch Bordenau vorgetragen. 15 Uhr sind wir am Dorfteich, 15.30 Uhr an der Apotheke, 16 Uhr an der Kirche, 16.30 Uhr am Friedhof und zum Abschluss gegen 17 Uhr an der Hausstelle. Herzliche Einladung!


Der Literaturbus
975. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 17.9.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Die haben ja schon viel Verrücktes auf den Weg gebracht, um Bordenau ans Lesen zu kriegen, zumindest zum Zuhören. Dass die mit der Transall  Flugblätter mit poetischen Texten abwerfen wollen, ist dabei nur ein charmantes Gerücht. Neben den Großlesungen ganzer Bücher, so zum Beispiel auf einem Bauernhof aus der Kutsche heraus (Heine!) oder das ganze Schiff der „Gustloff“ in die Sportkulturhalle gebaut (Grass) oder die „Literarische Sauna“, wo man beim Zuhören auf den Ruhebänken einschlafen sollte, die Bachmann-Lesung, wo Druckkünstler Peter Marggraf während der Lesung einen Text setzte und der den Teilnehmern mitgegeben wurde, und das wurde auch noch per Video groß übertragen oder die literarischen Cocktails in der Apotheke, die Blumengedichte im Blumenladen, das vielsprachige Lesefutter im Ristaurante Roma undundund. Und jetzt in Zeiten von Corona gehen sie nicht einfach ins Internet auf Fernsehvorlesungen, sondern wollen am 3.Oktober 2020 zwischen 15 und 17 Uhr mit einem Lautsprecherbus durch den Ort fahren und Geschichten und Gedichte vorlesen. Booh! Ja, was denn? Ausschnitte aus 20 Jahren „Bordenau liest“? Da war deren Jubiläum mit der gefragten Eva Matthes geplant. Texte zur deutschen Einheit an diesem traditionellen Feiertag? Dann ein paar – wenn, dann schon heitere – Texte zu Corona, etwas zum Thema Freiheit, beginnend in Nordwest-Bordenau an der Garagenausfahrt „Freiheit aushalten“, da böte sich doch wieder das Grundgesetz an, weiter durch den Ort und dem Scharnhorst den Immanuel Kant “Auf dem Weg zum ewigen Frieden“ um die Ohren hauen, an der Kirche läuten die Glocken zu Lessings „Ringparabel“ bis hin zur Ziegelei, wo sie nicht den Werbetext zur Umwidmung zum Erlebnisbad lesen, sondern aus Gisela Oberheus „Geboren 1940“ und Albrecht Göstemeyers neustes Buch über das Riethhaus. Man kann sich schon die Schlagzeilen vorstellen: „´Bordenau liest´ trägt Literatur bis in den letzten Winkel des Dorfes, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.“ Die sind doch verrückt, oder? Einen Rap zum Thema „Zeit“ bei NP, und während der Fahrt die Bordenau-Hymne von Andreas Hagemann, und zwischendurch werden als aktueller, volkstümlicher  Service die Bundesligazwischenstände durchgeben. Die genauen Stationen und Zeiten werden noch bekanntgegeben.


"Mein schönstes Ferienerlebnis"
974. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 3.9.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Viele Schulstarts – virtuell oder in echt – fragen nach deinem schönsten Ferienerlebnis, falls ihr überhaupt in Urlaub fahren konntet. Paul Cornelius konnte zur Nordsee und drückt für uns als älterer Schüler nochmal die Schulbank: „Seit vielen Jahren fahren meine Frau und ich mit Kind, Kegel und Freunden auf eine holländische Insel, auch vor 25 Jahren auf unserer Hochzeitsreise und zwar an Neujahr. Überall lag Schnee bei herrlichem Sonnenschein, und so zogen wir zu Fuß zu unserer Herberge. Überall sahen wir buntgeschmückte Pferdeschlitten, die die Einheimischen durch die wunderschöne winterliche Landschaft fuhren. „Das will ich auch mal,“ sagte meine Frau,“ einmal als Schneekönigin über die Insel“. So waren die ersten Tage meiner noch jungen Ehe damit ausgefüllt, über die Insel zu jachtern, um das möglich zu machen; denn als touristisches Angebot gab es das nicht. Am anderen Ende der Insel fand ich am vorletzten Tag einen freundlichen Bauern, der lud uns auf den Abend ein. So spät? So dunkel? Von wegen! Auf die weiße, winterliche Welt schien neben dem Leuchtturm der Vollmond, und ein stolzer Friese zog meine Göttergattin als Zarin und mich wie durch ein unwirklich beleuchtetes Kinderbuch über die Dünen mitten in den Wald, wo es heißen Kakao zu trinken gab. Welch eine Freude! Welch ein Wunder! In diesem Sommer versuchten wir, unseren freundlichen Bauern wiederzutreffen. Wir wussten nurmehr den Namen des Pferdes und ungefähr die Lage des Bauernhofes. Und was soll ich euch sagen: wir fanden Theo durch glücklich-magische Zufälle wieder. Wir bedankten uns mit einem Geschenk, er erinnerte sich noch an uns, und als Krönung fuhren wir mit ihm zum ersten Mal mit einer Pferdekutsche und unseren Freunden durch die schöne Landschaft, teilweise unseren alten Schlittenweg entlang. Das war mein schönstes Ferienerlebnis in diesem Jahr!“


Zehn Minuten sind eine verdammt lange Zeit
973. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 29.8.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Paul Cornelius hat uns aus seiner Sprachtagung wieder einen Text mitgebracht: „Alle elf Minuten verliebt sich ein Single, Alle 20 Minuten findet sich ein Paar. Das macht über 26 Tausend im Jahr. Was wird aus den anderen Millionen, Die sich auch sehnsüchten. Sollen sie darben, verzweifeln, alleine? Alle elf Minuten verliebt sich ein Single. In wen? In was? In sich selbst? In die Liebe? In beliebig viele andere? Sollte nicht die Liebe der Kompass durch die Beliebigkeit sein? Stürzen wir wie Steine eines Bogens auf uns zu ins Haltlose? Stützen uns gegenseitig in der Illusion einer unmöglichen Ganzheit? Innig! Gläubig! Treu! Von den Göttern im Himmel vereint?  Der Stille, der Leere, des verzweifelten Wartens! Wenn ihr euch liebt, dann lasst euch gehen!"


Kurioses dank Corona
972. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 14.8.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Corona hat manches Kurioses hervorgebracht, damit hat vorher keiner gerechnet. Unser Neustädter Harry L. berichtet: „Nun muss man sich allenthalben beim Besuch des Schwimmbads elektronisch anmelden und schon über ein Zahlungssystem die Buchungsgebühr vorab bezahlen. In Bokeloh ging´s los, und schon am Eingang wurde ein Vater mit seinen Kindern abgewiesen, weil er das nicht gemacht hat. Meine Frau hatte bei all den elektronischen Spielchen nur eine Karte gebucht. Wir buchten am Eingang mittels Handy nach. Im Becken ging es dann nur im Einbahnstraßen-Rundverkehr. Ich sagte zu meiner Frau: „Achtest du bitte auch auf unsere Tasche auf der Bank.“ Sie konterte. „Wieso? Hier passiert doch nix! Die sind doch alle registriert.“ Im Balneon in Neustadt mussten wir dann einzeln durch die Dusche. Eine Bademeisterin beriet uns dabei. Sie sagte: „Es darf ein Haushalt gemeinsam durch!“ Und so gingen meine Frau und ich seit Jahren, ach was seit Jahrzehnten zum ersten Mal gemeinsam in die öffentliche Dusche. So hab´ ich sie lange nicht gesehen…… Kurios war während der Hochzeit der Beschränkungen auch der Einkauf bei Obi. Meine Frau wollte ein paar Tütchen Blumensamen kaufen. Am Eingang wurden wir getrennt, es hieß, jeder Besucher muss einen Einkaufswagen mit sich beziehungsweise vor sich führen wegen der Abstandsregel. Die normalen Wagen waren aus, und meine Frau griff sich einen großen Transporter, der auch für Saunabausätze geeignet ist. Hinter uns kam eine Mutter mit 13jährigem Sohn. Ebenfalls der Hinweis, jeder Besucher einen Wagen; daraufhin stieg der Sohn in den großen Einkaufswagen, und so wurden sie durchgewinkt. Der Einkaufswagen meiner Frau ließ sich sehr schwer dirigieren. Auch rutschten die Tütchen immer runter. An der Kasse stand an dem Druckschalter für die Geheimzahl ein Schwämmchen, das ich im vorigen Jahrtausend beim Briefmarken anfeuchten nutzte. Jetzt musste man da vorher seine Fingerkuppe eintauchen; dabei werden doch nacheinander gar nicht alle Zahlen genutzt, oder? Wenn jeder seine Geheimzahl laut genannt hätte, hätte jeder dritte sich die Fingerkuppendesinfektion sparen können. Tja, Corona hat manches hervorgebracht, damit hat vorher keiner gerechnet.“


Die Masken des Narren
971. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 30.7.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Tja, die Masken! Wie ist unsere umfängliche Kommunikation dadurch doch eingeschränkt. Jenes schöne Zusammenspiel von Mund, Augen, Lächeln, Mimik und Sprache! So empfiehlt der Kultursommer der Region wortwörtlich eine Gesichtsmaske! Als wenn unser Gesicht nicht schon immer Maske genug wäre! Und Paul Cornelius dichtet zum Narren: „Masken türmst du, als hättest du kein Gesicht, Worte stürmst du, als kenntest du sie nicht. Auch der libanesisch-amerikanische Philosoph Khalil Gibran („Der Prophet“) hat dazu einen bezaubernden Text geschrieben: „Du fragst mich, wie ich zum Narren geworden bin? Das geschah so: eines Tages, lange bevor die vielen Götter geboren waren, erwachte ich aus einem tiefen Schlaf und gewahrte, daß meine Masken gestohlen worden waren – die sieben Masken, welche ich in sieben Leben verfertigt und getragen hatte.- Unmaskiert rannte ich durch die vollen Straßen und schrie: „Diebe, Diebe, die verdammten Diebe!“ Männer und Frauen lachten. Einige liefen aus Angst vor mir in ihre Häuser. Als ich zum Marktplatz kam, rief ein Junge von einem Hausdach: „Er ist ein Narr!“ Ich blickte empor, um ihn zu sehen: da küßte die Sonne erstmals mein bloßes Antlitz, …und meine Seele entflammte in Liebe zu ihr, und ich wünschte mir keine Masken mehr. Wie in Trance rief ich: „Segen, Segen über die Diebe, die meine Masken gestohlen!“ So wurde ich zum Narren. Und in meiner Narrheit fand ich Freiheit und Sicherheit: die Freiheit der Einsamkeit und die Sicherheit vor dem Verstandenwerden. Denn diejenigen, welche uns verstehen, versklaven etwas in uns“. Aber wir wollen doch verstanden werden, oder? Also, Respekt, Sauberkeit und „Sie sind mit Abstand der beste Leser“. Mit oder ohne Maske!


Das Buch "Riedhaus ist in der „Holunder-Apotheke“ zu haben
970. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 16.7.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Es war eine eindrucksvolle Veranstaltung: Die Buchvorstellung „Riedhaus“ von Albrecht Göstemeyer sowie eine kritische Würdigung durch den Historiker Dr.Werner Besier am letzten Donnerstag in Bordenau im Rieth-Haus selbst. Besonderer Ehrengast war Ziegelei-Besitzerin Gisela Oberheu, die mit ihrem Rollator durch den Wald geeilt kam. Die wechselvolle Geschichte des Riethhauses beeindruckt: 1929/1930 entstanden, beherbergte es die katholische Jugendbewegung „Quickborn“, die dann in den Dreißiger Jahren auch in die Fänge der Nazis geriet. In der Festschrift zum 50jährigen Bestehen schreibt Fritz, wie sich ein eingeschleuster Spitzel offenbarte: „Daß wir vor allen damals und möglicherweise unter Gestapo-Kontrolle gerieten, wurde aus einer anderen sehr erregenden Tatsache dann deutlich. Ich bekam eines Tages Kontakt zu einem jungen katholischen Buchhändler aus Leipzig. Er sagte, er sei Quickborner, habe, ich glaube, über die Burg (Rothenfels), meine Adresse erfahren und suche Anschluß bei uns in Bordenau.Sein Name ist mir entfallen, es genügte für mich ohnehin, daß er Helmut hieß. Er erwies sich als guter Freund. Bis er mich eines Tages bei einem Spaziergang an die Seite nahm: „Ich halte es nicht mehr aus, und ich muß dir etwas sagen. Aber wenn das, was ich dir jetzt sage, herauskommt, bin ich ein toter Mann. Versprich mir, daß du schweigst!“ Das habe ich versprochen, und das Versprechen dann auch gehalten. Er erzählte:“ Wir sind in Leipzig durch die Gestapo ausgehoben gewesen. Und als ich nach Hannover fortzog, mußte ich mich hier bei der Gestapo in der Schlägerstraße melden. Dort bekam ich deine Adresse, ich sollte Kontakt aufnehmen und über euch hier in Bordenau berichten. Nach jedem Besuch muß ich einen Bericht einreichen“. Und erzählte, daß er das selbstverständlich so mache, daß er Belastendes nicht zu sagen versuche. Aber allein die Tatsache, daß Haus und Kreis bestünden, sei Anlaß zur Sorge, daß wir in absehbarer Zeit „dran“ wären. Es war eine schlimme Zeit für mich, das zu wissen und schweigen zu müssen.“ Quelle: Festschrift „Tor zur Freude – Haus Rieth 1930 – 1980; Fritz, Seiten 16,17). Es ist also immer wieder eine schmale Grenze zwischen dem „Leben der Anderen“ und der Möglichkeit, sie nicht zu verraten. Und das belletristische Buch „Riedhaus“ ist weiterhin in der „Holunder-Apotheke“ zu erwerben.


Syntax-Rap: "Zeit"
969. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 9.7.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Allen Schülern, die jetzt erfolgreich ihren Abschluss gemacht haben, wünschen wir von hier aus alles Gute in die besonderen Herausforderungen unserer gemeinsamen Zeit. Als literarischen Bonus bekommt ihr den Abi-Abschluss-Rap von Syntax-Rap aus der Abschlussfeier 2014 an der KGS Neustadt, den Anton Drebs selbst vorgetragen hat. Sein Thema: „Zeit“: „Sekunden verstreichen, es wirkt wie Jahre, Minuten verbleiben einige Tage. Wir erkennen selbst, dass wir die Zeit gar nicht erst haben, doch ändern auch nichts, um uns die Leichtigkeit zu bewahren. Wir bleiben stehen, alles um uns rum wird anders, und du versuchst zu rennen, obwohl du gar nichts erkannt hast. Wie oft wünscht man sich, dass alles so wird, wie´s einmal war, aber alles ist vergänglich, das ist doch eigentlich klar. Lass die Zeit stehen, doch renn´ weiter, du musst heimgehen und du musst einsehen: du kannst es nicht verhindern, denn die Zeit läuft weiter, doch wir bleiben immer Kinder, äußerlich älter und innerlich noch reifer, Freunde werden Eltern und Kinder werden zum Meister; doch letztlich spielen wir uns allen einen Streich dann, denn letztendlich wird uns die Zeit alle bereichern. Ja ich weiß, wir können die Zeit nicht stoppen, können sie nicht verlieren, wir können eigentlich nur hoffen, denn jeder selbst geht sein Leben mit der Zeit und jeder selbst ist eine Stütze seines Seins. Und manchmal kann eine einzige Sekunde alles, was du hattest, verändern und dich verwunden; aber egal, wie tief dich das Leben runterreißt, ist die Zeit das Einzige, was bleibt.“


Cholera in Paris
968. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 1.7.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Liebe Leserin! Lieber Leser! Ein Spiegel unserer Zeit: Heinrich Heines Bericht von der Cholera in Paris aus dem Jahre1832 ist ein eindrücklicher Text über eine Pandemie, den er als Korrespondent der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ schrieb: „Ich rede von der Cholera, die seitdem hier herrscht, und zwar unumschränkt, und die ohne Rücksicht auf Stand und Gesinnung tausendweise ihre Opfer niederwirft. Man hatte jener Pestilenz umso sorgloser entgegengesehn, da aus London die Nachricht angelangt war, daß sie verhältnismäßig nur wenige hingerafft. Es schien anfänglich sogar darauf abgesehen zu sein, sie zu verhöhnen, und man meinte, die Cholera werde ebensowenig wie jede andere große Reputation sich hier in Ansehn erhalten können. Da war es nun der guten Cholera nicht zu verdenken, daß sie aus Furcht vor dem Ridikül zu einem Mittel griff, welches schon Robespierre und Napoleon als probat befunden, daß sie nämlich, um sich in Respekt zu setzen, das Volk dezimiert. Bei dem großen Elende, das hier herrscht, bei der kolossalen Unsauberkeit, die nicht bloß bei den ärmern Klassen zu finden ist, bei der Reizbarkeit des Volks überhaupt, bei seinem grenzenlosen Leichtsinne, bei dem gänzlichen Mangel an Vorkehrungen und Vorsichtsmaßregeln, mußte die Cholera hier rascher und furchtbarer als anderswo um sich greifen. Ihre Ankunft war den 29. März offiziell bekanntgemacht worden, und da dieses der Tag des Mi-Carême und das Wetter sonnig und lieblich war, so tummelten sich die Pariser umso lustiger auf den Boulevards, wo man sogar Masken erblickte, die in karikierter Mißfarbigkeit und Ungestalt die Furcht vor der Cholera und die Krankheit selbst verspotteten. Desselben Abends waren die Redouten besuchter als jemals; übermütiges Gelächter überjauchzte fast die lauteste Musik, man erhitzte sich beim Chahût, einem nicht sehr zweideutigen Tanze, man schluckte dabei allerlei Eis und sonstig kaltes Getrinke: als plötzlich der lustigste der Arlequine eine allzu große Kühle in den Beinen verspürte und die Maske abnahm und zu aller Welt Verwunderung ein veilchenblaues Gesicht zum Vorschein kam. Man merkte bald, daß solches kein Spaß sei, und das Gelächter verstummte, und mehrere Wagen voll Menschen fuhr man von der Redoute gleich nach dem Hôtel-Dieu, dem Zentralhospitale, wo sie, in ihren abenteuerlichen Maskenkleidern anlangend, gleich verschieden. Da man in der ersten Bestürzung an Ansteckung glaubte und die ältern Gäste des Hôtel-Dieu ein gräßliches Angstgeschrei erhoben, so sind jene Toten, wie man sagt, so schnell beerdigt worden, daß man ihnen nicht einmal die buntscheckigen Narrenkleider auszog, und lustig, wie sie gelebt haben, liegen sie auch lustig im Grabe.“ Der gesamte Text ist über das Gutenberg-Projekt online unter dem Titel „Französische Zustände“ Artikel VI nachzulesen und zu hören beim Kulturevent an diesem Samstag im Mandelsloher Haasenhof!


Reisesegen
967. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 25.6.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Nun hatten vor zwei Wochen die Reisererleichterungen endlich begonnen, die Grenzen Europas öffneten sich langsam wieder und uns wurde schmerzhaft klar, was wir weltweit in diesen Monaten alles verpasst hatten: die Kreuzfahrten zum Beispiel, das sind diese schwimmenden Hochhäuser, wo du jemand Nettes im Aufzug triffst und dann vier Wochen nicht wieder, das waren Abenteuerreisen in ferne Berge, wo der Hubschrauber abends das warme Essen einfliegt, oder abgesperrte Resorts , in denen uns die folkloristischen Einheimischen bespaßen sollten. Nein, alles Quatsch! Jetzt sollten wir uns erstmal auf die heimische Umgebung konzentrieren: Blühstreifenwanderungen durch die Uckermark, Schäfchen-Zählen in Stöckendrebber, Kanufahrten auf der Südlichen Aue und Rosenzüchten auf Balkonien. Aber das alles natürlich mit Abstand und Anstand. Beim Wandern etwa schön weit auseinander, am besten gleich mit Handy, Kirchen unterwegs nur einzeln betreten und bloß nicht singen! Wenn schon, dann mit dem Rücken zueinander, zum Beispiel den „Irischen Reisesegen“. Immer genug Sonne im Rücken! Jetzt droht uns die Zweite Welle. Bleiben Sie also gesund, fahren Sie nicht nach Gütersloh, dann dürfen Sie nicht mehr an die Ostseeküste. Und: Aerosolen Sie sich nicht so an, denn Sie sind mit Abstand der beste Leser!


"RIEDHAUS"
966. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 18.6.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Es ist ein neues Buch über Bordenau erschienen: „Riedhaus“ von Albrecht Göstemeyer. Der Autor lebt in Hildesheim. Hier der Inhalt: „In der Leineniederung zwischen Hannover und Neustadt, einer Landschaft von herber Romantik, steht das Riedhaus. Es ist ein einfaches Gebäude, gedacht als Wohnhaus für Wochenenden und Ferienzeiten. Erbaut wurde es zwischen den beiden Weltkriegen von einer losen Gemeinschaft Hannoveraner Familien, die der Wandervogelbewegung nahestanden. Für die Kinder der Familien war es ein Freizeitparadies; sie nutzten es als Abenteuerspielplatz, erlebten hier ihre Kindheit und später ihre ersten Liebschaften. Doch das Haus und seine Umgebung bergen auch viele Geheimnisse, deren Ursprung sich nicht immer ergründen lässt. Im Mittelpunkt der Gemeinschaft stehen die beiden Freundinnen Friederike und Stefanie. Stefanie hat eine jüdische Großmutter, die im Riedhaus Ereignisse von erheblicher Dramatik durchlebt hat. Mit ihrem Freund Christoph zusammen besucht Stefanie in Namibia einen Bekannten aus der Gemeinschaft, der dorthin ausgewandert ist. Dort geschieht etwas, das Stefanies Leben einschneidend verändern wird“. Die Buchvorstellung „Riedhaus“ sowie eine kritische Würdigung durch den Historiker Dr.Werner Besier wird in Bordenau im Riedhaus am Donnerstag, den 9. Juli 2020, ab 17.00 Uhr stattfinden unter Beachtung aller Schutzmaßnahmen. Deshalb wird auch um namentliche Voranmeldung bei Martin Drebs, Telefon 05032/1426 gebeten. Herzliche Einladung! Das Buch ist dann auch für 11 Euro über die Bordenauer Bücherbude in der Holunder-Apotheke zu erhalten.


Immer ausverkauft
965. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 11.6.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Nun lockern wir uns wieder; nur Kinos und Theater haben noch Schwierigkeiten. Da hilft auch wieder ein Blick in die Theatersatiren; vor vielen Jahren schlug nämlich ein Kritiker vor, man könne ja aus einem großen Theater mit 1000 Plätzen auch 10 mit 100 oder 100 mit 10 Plätzen machen; oder sogar 1000 Theater mit einem Platz. Da wär` man immer ausverkauft und sicher wär´s auch.


„Die Stille“
964. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 21.5.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

In dem Roman „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Márquez von 1985 hisst das endlich vereinte Liebespaar die gelbe Flagge der Quarantäne, um ungestört einander zu begegnen. Heutzutage haben die weitentfernten Geliebten, besonders die internationalen, die die Welt an ihren Bruchstellen zusammenhalten, gerade durch die Reisebeschränkungen schwere Wochen hinter sich. Der Dichter Rainer Maria Rilke hatte davon um 1900 in seinem Gedicht „Die Stille“ schon eine Ahnung und liefert die mögliche Lösung mit:

„Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände -
hörst du: es rauscht...
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider
und auch das ist Geräusch bis zu dir.
Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder......
... aber warum bist du nicht hier.

Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.“


„Liebe – von gestern?“
963. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 14.5.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Letzte Woche war Muttertag. Gibt es eigentlich einen Großmuttertag? Für Elke Horaitis in ihrem Gedicht „Liebe – von gestern?“ auf jeden Fall:

„Liebe – von gestern?“

Ach, damals war's vor fünfzig Jahren,
als ich - mit schön toupierten Haaren
- saß aufgeregt und träumerisch
am reich gedeckten Kaffeetisch.
Mein ausgewählter Bräutigam
durchlebte tapfer das Programm
´Großeltern, Eltern´ mit kritischen Augen:
Wird dieser Mensch zum Heiraten taugen?
Kann er sie auch gebührend ernähren
und kann sie in Ruhe Kinder gebären??
Ihr lieben Leser, das ist jetzt Geschichte
und wenn ich's betrachte bei hellem Lichte:
Die Enkel entscheiden heut völlig allein,
wen sie erwählen zum Glücklichsein
Gut so! Das ist vernünftig und richtig,
denn eines im Leben ist wirklich wichtig:
Die Liebe ganz tief im Herzen zu spüren
und nicht sich in Äußerlichkeiten verlieren!!!


"Das Leben ist ein Traum"
962. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 23.4.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

„Was ist Leben? Irrwahn bloß!/Was ist Leben? Eitler Schaum,/Trugbild, ein Schatten kaum,/Und das größte Glück ist klein;/Denn ein Traum ist alles Sein,/ Und die Träume selbst sind Traum.“ Zum Welttag des Buches zitieren wir aus dem Drama "Das Leben ist ein Traum", eines der bekanntesten Versdramen des spanischen Dramatikers und Poeten Pedro Calderón de la Barca – erschienen 1636. Es behandelt in drei Akten die Frage nach dem freien Willen und dem Schicksal. Basilius, König von Polen, liest aus den Sternen, dass die Geburt seines einzigen Sohnes Sigismund unter schlechten Vorzeichen steht. Aus Sorge, der Sohn werde als sein Nachfolger eine Tyrannenherrschaft über Polen ausrufen, lässt er Sigismund bereits als Kind in ein Turmverlies werfen, in dem dieser die Welt ausschließlich aus den Erzählungen des ihm zum Lehrmeister bestellten Clotaldo kennenlernt. Als Basilio älter wird und sich die Nachfolgefrage stellt, beschließt der König, seinen Sohn und die Sterne doch auf die Probe zu stellen. Unter der Einwirkung eines Schlafmittels wird Sigismund zum ersten Mal und unvermittelt ins Königsschloss gebracht und mit allen Mitteln und Annehmlichkeiten der Macht ausgestattet. Über seine wahre Identität und Geschichte aufgeklärt, lässt Sigismund die Befürchtungen seines Vaters wahr werden. Kaum an die Macht gekommen, regiert der Sohn mit Mord und einer versuchten Vergewaltigung. Sigismund wird erneut in den Kerker geworfen. Um ihn zu trösten, soll ihm der Tag seiner Regentschaft nur als ein kurzer Traum erscheinen, aus dem er nun erneut in der Gefangenschaft erwacht. Als Aufständische Sigismund kurze Zeit später abermals aus seinem Gefängnis befreien und ihn erneut zum Regenten küren, hat Sigismund jedoch aus seinen Erfahrungen gelernt. Nach dem Kampf gegen die Truppen des Vaters erweist er sich bei der neuerlichen Verwirklichung seines Traums als weiser und gerechter Herrscher. Bekannte Bearbeitungen gibt es von Franz Grillparzer: Der Traum ein Leben (1840) und von Hugo von Hofmannsthal: Der Turm. Motive und Personen des Stückes verwendet Pier Paolo Pasolini für sein Drama „Calderón“ von 1973. Noch einmal Calderon: „Nichts Ewiges kann das Glück uns geben, denn flüchtiger Traum ist Menschenleben, und selbst die Träume sind ein Traum!“ „Vertraumen“ wir uns also weiter den glaubwürdigen medialen Erzählungen der Welt an!


"Der Frühling"
961. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 16.4.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Was war da noch alles außer Corona? Unsere Sehnsucht nach der Normalität, der Vielfalt, der Spontaneität! Ach ja, Beethoven- und Hölderlin-Jubiläen! Und der Frühling ist auch noch da! Und da gibt es ein Gedicht von Friedrich Hölderlin: „Der Frühling“. Das haben wir im letzten Jahr in der Kempowski-Lesung schon gehört. Kempowskis Buch „Echolot“ befasst sich auch mit einer großen Erschütterung, und die Natur bringt den Frühling und auch Viren hervor. Eben deshalb:

„Wenn aus der Tiefe kommt der Frühling in das Leben,
Es wundert sich der Mensch, und neue Worte streben
Aus Geistigkeit, die Freude kehret wieder
Und festlich machen sich Gesang und Lieder.
Das Leben findet sich aus Harmonie der Zeiten,
Daß immerdar den Sinn Natur und Geist geleiten,
Und die Vollkommenheit ist Eines in dem Geiste,
So findet vieles sich, und aus Natur das Meiste.“
Friedrich Hölderlin am 24 Mai 1758


Osterspaziergang
960. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 10.4.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Wie seltsam klingen uns die Volkslieder und klassischen Texte in dieser Zeit. Margot Käßmann schlug „Der Mond ist aufgegangen“ für unseren kranken Nachbarn vor. „Kein schöner Land in dieser Zeit“ klänge da auch eigentümlich. Selbst Goethes „Osterspaziergang“ beginnt falsch, denn das Land bleibt mit einer Eisdecke überzogen. Und auch in der Menge sollten wir Abstand halten. Dennoch:

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein!“


Perspektivenwechsel
959. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 4.3.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Vieles geht jetzt zur poetischen Bewältigung der Lage durch die Medien. Wir finden ein Gedicht der 1962 geborenen ostfriesischen Autorin Birgit Rutenberg besonders treffend, da es sich von oben und unten gleichermaßen lesen lässt und dabei die Perspektive, mit der die Menschen an die Krise herangehen, wechselt. Probieren Sie es aus; das gab es in dieser Kolumne noch nicht! Also einmal von oben und dann von unten lesen!

Corona- Ein Perspektivenwechsel

Corona ist eine Chance!
Nein, die Wahrheit ist
dass Corona nur den Tod bringt
dass es uns zerstört
dass Corona uns alles nimmt
Ich glaube nicht
dass Corona unsere Rettung ist
dass es uns erweckt
uns entschleunigt
dass Corona durch Distanz zeigt, wie wertvoll Nähe ist
Es ist doch so
dass Corona uns voneinander entfernt
uns in den sozialen Abgrund stürzt
uns vernichtet
dass Corona uns einsam macht
Ich weigere mich zu akzeptieren
dass Corona uns zeigt, worauf es im Leben ankommt
dass wir menschlicher werden
zusammenhalten
aneinander denken
dass wir nachdenken
Es ist doch offensichtlich
dass Corona die neue Pest ist
dass wir alle sterben werden
dass dies unser Ende ist
Es wäre gelogen, würde ich sagen
Corona bringt uns zusammen!


Vereinfache dein Leben
958. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 26.3.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Jetzt ist es wieder soweit: das Frühjahr lockt. Die Vögel tirilieren ansteckend frohmütig, und die Sonne bahnt sich ihre Kraft durch wintergraue Wolken bis auf unsere Haut. Da will man nicht abseits sitzen und versauerkrauten, da muss man einfach aufstehen und mit dem Frühjahrsputz beginnen, auch in diesen isolierten Zeiten, oder vielleicht gerade deshalb! Alles will sauber werden, die Räume, die Fenster und eben auch so Kleinigkeiten wie der Staub in den Steckdosen oder die Fliesenfugen in der Dusche. Am besten fangen wir mit der Küche an, linke Ecke zuerst, linker Hängeschrank, die vielen alten kleinen und großen gesammelten Gläser, die haben wir ja jahrelang nicht weggeschmissen, wie Oma in den 50ern, obwohl heute kaum noch jemand einkocht, wär vielleicht doch besser gewesen! Jetzt heißt es nur: „Vereinfache dein Leben“! Tolle Erkenntnis! Das muss gefeiert werden, am besten mit Champagner! Singend ziehen wir durch die Küche und kommen doch auf den Hängeschrank zurück. Ich liege fast mit dem gesamten Körpergewicht auf der Zwischenplatte, um an die letzten Ecken dranzukommen. Und da passiert es: Eine Zwischendecke löst sich, und ich falle mit dem Oberkörper in den Hängeschrank. Nun muss man Folgendes wissen: der Schrank war seinerzeit beim Einbau aus einer anderen Küchenkombination ausgewählt und nur mit gutwilliger Klemmtechnik eingesetzt worden. Jahrelang war die erfolgreiche Konstruktion bewundert worden, jetzt rächt sich der „Küchenstudiogeist“: die Klemme löst sich unter großem Ächzen, und der Schrank kippt erst gegen die Wand und dann nach unten. Dabei muss er so mit dem Putz verpappt gewesen sein, dass sich ein großes Stück löst und sich unter extremer Staubentwicklung in die Küche ergießt. Leider auch in die Champagnergläser. Die Feier ist zu Ende und ernüchtert betrachten wir, meine Frau und ich, das Loch in der Wand. Fortsetzung folgt!


„Rückkehr des Menschlichen“
957. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 18.3.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Anfang der Woche schrieb Imre Grimm in der HAZ für das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" einen besonderen Leitartikel zur Coronakrise. Mit seiner Zustimmung können wir von der „Rückkehr des Menschlichen“ berichten: „In der Krise beweist sich der Charakter. Das sagte schon Helmut Schmidt. In Zeiten der Sturmflut und in Zeiten des Terrors hatte er gelernt: Not macht gute Menschen besser – und schlechte schlechter. Beides gilt auch in der Viruskrise. Ja, es gibt jetzt die Coronaegoisten. Sie klauen Desinfektionsmittel von Kinderkrebsstationen. Sie verhökern Mundschutz zu Mondpreisen. Sie wuchten 100 Kilo Nudeln in ihre Kofferräume, als gebe es kein Morgen. Aber sie sind, so scheint es, die Ausnahme. In der großen Mehrheit bringt das Coronavirus inzwischen das Gute im Menschen zum Vorschein. Im Kreis von Nachbarn, Familie und Freunden machen viele in diesen Tagen verblüffend positive Erfahrungen: Die Welt ist plötzlich voll von tröstlichen kleinen Wundern. Ringsum wächst Solidarität. Nachbarn vereinbaren abends die Kinderbetreuung der nächsten Tage. Wer kann helfen? Wer hat Zeit? Wer hat eine Idee? Spontan gegründete Gruppen machen Hilfsangebote, auf Whatsapp oder per Aushang im Hausflur. „Irgendwie grüßt man sich auch anders“, sagt eine Nachbarin. Menschen klingeln bei der älteren Dame im Erdgeschoss, einfach um zu fragen, ob sie ihr etwas vom Supermarkt mitbringen sollen. Kinder rufen mal wieder ihre alten Eltern an. Familien erinnern sich daran, dass sie welche sind. Plötzlich zeigt sich, dass Krisenzeiten auch ihr Gutes haben können. Dass nicht zwingend Ichsucht und Rücksichtslosigkeit das Regiment übernehmen müssen. Italiener singen in den Häuserschluchten ihrer Städte Volkslieder und Opernchöre zur gegenseitigen emotionalen Stärkung. Und sie applaudieren auf den Balkonen ihrer Wohnungen den in Einsatzfahrzeugen vorbeifahrenden Ärzten und Sanitätern. „Die Nudeln sind irgendwann aufgegessen, aber die Werte, für die wir in der Gemeinschaft kämpfen, die bleiben“, sagt der Psychotherapeut Jan Kalbitzer. Nachbarschaftsaktionen, unterstützt durch Netzwerke wie Twitter, markieren jetzt eine Rückbesinnung aufs Reale. Allzu oft hoben in der Viruskrise völlig nutzlose Internetdebatten an. Da gab es Leute, die aufgeregt die neuesten Verschwörungstheorien weiterreichten. Und da gab es andere, die sich ihrerseits über die Verschwörungstheoretiker aufregten. Unterm Strich drohte damit ein Verlust des Mitgefühls für die echten Menschen um uns herum. Genau dieses Mitgefühl braucht es aber in Zeiten wie diesen. Bestehen wir diese Prüfung unseres Charakters? Bekommen wir es vielleicht sogar hin, dass soziale Kälte und politische Aggressivität wieder abnehmen? Die Zeichen für eine Renaissance der Menschlichkeit häufen sich. Hoffen wir, dass dieser Trend anhält.“


"Nemesis“
956. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 14.3.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Heute wird´s gleichsam klassisch und doch aktuell mit Goethes Gedicht „Nemesis“:
Wenn durch das Volk die grimme Seuche wütet, Soll man vorsichtig die Gesellschaft lassen. Auch hab' ich oft mit Zaudern und Verpassen Vor manchen Influenzen mich gehütet. Und ob gleich Amor öfters mich begütet, Mocht' ich zuletzt mich nicht mit ihm befassen. So ging mir's auch mit jenen Lacrimassen, Als vier - und dreifach reimend sie gebrütet. Nun aber folgt die Strafe dem Verächter, Als wenn die Schlangenfackel der Erinnen Von Berg zu Tal, von Land zu Meer ihn triebe. Ich höre wohl der Genien Gelächter; Doch trennet mich von jeglichem Besinnen Sonettenwut und Raserei der Liebe.“


"Fragmente der Erinnerung“
955. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 6.3.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Sie ist eine großartige Frau, stammt aus den Masuren und hat eine dramatische Flucht nach Hannover hinter sich. Heute lebt sie glücklich mit ihrem Mann in Neustadt-Bordenau, hat hier Jahrzehnte den Büchergarten gepflegt und auch bei „Bordenau liest“ mitgemacht. Jetzt hat Johanna Korte ihre Erinnerungen in ein Buch gefasst und liest daraus am Montag, dem 9. März 2020, um 15.30 Uhr in der Dorfwerkstatt Bordenau, Birkenweg 3a. Der Eintritt ist frei. Eine kleine Geschichte hat sie uns schon verraten: „Der Brief! Es war während der Kriegszeit im Jahr 1943. Meine Mutter schrieb einen Brief an meinen Vater, der an der Front war. Sie legte einige Zigaretten in den Briefumschlag, so dass dieser ziemlich dick war. Meine ältere Schwester Lisbeth und ich sollten ihn nun zur Post bringen. Wir benutzten den kleinen Holzsteg über den Fluss. Plötzlich fiel meiner Schwester der Brief aus der Hand und landete im Wasser. Die Strömung trug ihn weiter. Wir rannten am Ufer hinterher und versuchten, den Brief zu fischen. Zum Glück verfing er sich im Geäst, und so konnten wir ihn bergen. Die Postfrau tröstete uns und versprach, unserer Mutter nichts davon zu erzählen. Sie wolle den Brief trocknen, die Anschrift nachschreiben und ihn dann auf den Weg schicken.“


"LICHTBLICKE“
954. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 28.2.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

In dunkler Zeit sendet uns Barbara Weissköppel in ihrer typischen Setzweise vorübergehend wieder eines ihrer kleinen, aufhellenden Gedichte:
LICHTBLICKE
GRAU, EINERLEI, SO
ZEIGT SICH DER WINTER,
MACHT NICHT FROH, ES
GIBT ABER
LICHTBLICKE, ES GIBT
EINE WIESE AUS
BUTTERGELBEN WINTERLINGEN.
ES GIBT SCHNEEGLÖCKCHEN,
DIE BRAV IN
DICKEN WEISSEN TUFFS
BEI EINANDER STEHN,
ZAUBERHAFT
ANZUSEHN´N, EBEN
LICHTBLICKE IM
VORÜBERGEH´N.


Gisela Oberheu: „Geboren 1940“
953. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 19.2.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!


bild1_200.jpg (18458 Byte)
Gisela und Wilhelm Oberheu vor dem Gebäude mit dem Brennofen, welches seine Eltern 1931 errichteten.
Foto: Patricia Chadde
Geboren 1940, so auch der Titel ihres Buches mit Erinnerungen, Gedanken und Geschichten. Sie wird in der Kleinstadt Wunstorf in einfache Verhältnisse hinein geboren. Als Kind erfährt sie Armut und Hunger. Als Mädchen mit geringer Schulausbildung muss sie schon früh arbeiten gehen und findet eine Anstellung in Bordenau: „Am 1.Juni 1954 fuhr ich zum ersten Mal nach Bordenau…am Blumenauer Schloss vorbei Richtung Liethe und dann immer geradeaus, bis rechter Hand die Bordenauer Brücke mit den Wiesen auftauchte. Kurz vor der Brücke lag links das Bordenauer Fährhaus, während sich auf der rechten Straßenseite eine merkwürdige Holzkonstruktion entlang zog, die vom Fährhaus bis zur Brücke führte. Es war der Hochwassersteg. Doch an diesem Tag ahnte ich noch nicht, wie wichtig er für mich einmal werden würde…. Ab 1960 begann die schönste Zeit meines Lebens. 1960 lernte ich Wilhelm kennen. Wilhelm besaß eine Ziegelei. Ein kleiner Betrieb außerhalb des Dorfes, umgeben von Wald und Wiesen. 1961 heirateten wir.Da saß ich nun in einem Haus, das fast 2 km vom Dorf entfernt war, ohne elektrisches Licht…. In diese Idylle wurde 1962 unsere Tochter Susanne geboren. Ich hatte alles, was ich brauchte: Einen Mann, der mich liebte, eine süße kleine Tochter und ein herrliches Grundstück.“ Von hier aus versorgten sie die Welt mit besonderen Ziegeln und prägten auch das Leben des Dorfes. Als sie vor zehn Jahren 70 wurde, fragte man sie: “Wie fühlt man sich so mit 70?“„Ich fühle mich wie ein Bergsteiger, der den Gipfel fast erreicht hat. 70 Jahre habe ich mich abgestrampelt.Dabei habe ich mich nicht beeilt, möglichst schnell alt zu werden, aber es führt ja kein Weg daran vorbei….Wenn ich leben will, muss ich den Berg hochsteigen.“

Und als Lese-Oma an der Scharnhorstschule setzte sie ihr Alter sogar als pädagogischen Impuls ein: „Ich mach mit Lisa aus der zweiten Klasse Schularbeiten. Sie hat Mathe auf. Drei mal drei sind neun. Das ist seit Adam Riese so. Aber jede Generation hat ihre eigene Lernmethode. Darum lass ich mir alles erklären. „Erzähl mir, wie ihr das rechnet. Ich weiß das nicht“, sagte ich zu ihr. Da sieht sie mich von der Seite an und sagt: „Du bist ganz schön alt, was?“  Da hab ich herzlich gelacht und zu ihr gesagt: „Ja, Kind. Und darum musst du mir alles genau erklären.“ – Viele dieser schönen Geschichten hat sie fürs Leineradio eingelesen. Morgen nun wird Gisela Oberheu 80 Jahre jung, ihr Berg wächst noch, solange sie steigt. Wir gratulieren herzlich! Danke, dass Du da bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.! Alle Zitate in Anführungsstrichen sind aus ihrem Buch.


„Drei Spatzen“
952. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 6.2.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Christian Morgenstern hätte vielleicht auch seine Freude an der namentlichen Aktualisierung seiner „Drei Spatzen“. Und sind die Zeiten schon wieder so, dass sich die Literaten in die Mythen und Märchen flüchten, um ihre Kritik an den Zuständen auszudrücken?
„In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Thomas rechts und links der Mike
und mittendrin der freche Björn.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und oben drüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Björn hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.“


Vom Fotosatz zur Vektorgrafik
951. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 1.2.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Was kann man aus der Geschichte lernen? Manche meinen, dass man nichts daraus lernen kann! Okay, soweit so gut! Und doch verbinden uns Sprache und Schrift in ihrer Gegenwart mit den hergebrachten, auch geschichtlichen Erfahrungen. Jetzt ist zum Thema Schrift die Bachelor-Arbeit von Lena Schmidt an der HAW Hamburg abgegeben worden. Wir dürfen zitieren. „Für Schriftgestalter*innen ist die Faszination und Anziehungskraft der Geschichte der Schrift unausweichlich. Schrift ist Geschichte, sie verkörpert im wahrsten Sinne des Wortes Jahrtausende in sich und ihrem Korpus. Wer einmal diese Tiefe der Beschäftigung mit Schrift erreicht hat, wird davon nicht mehr loslassen können. Schrift muss in vielerlei Hinsicht historisch sein, wenn sie nicht auf historische Formen Bezug nehmen würde, würden wir nichts in ihr erkennen. Ihre Formen wären bedeutungslos für uns. …Alejandro Lo Celso … beschreibt …, dass er einen romantisch-poetischen Aspekt in dem Hervorholen von etwas Vergangenem in die Gegenwart spürt. Das Schriftrevival macht einen großen Teil der Schriftgeschichte aus, da es in der Entwicklung immer wieder darum ging, vorhandene Schriften neuen technischen Gegebenheiten oder auch neuen Ansprüchen anzupassen und sie in neue Zeiten zu überführen. Ein solcher Technologiewandel ereignete sich ab Anfang der fünfziger Jahre. Jahrhundertelang wurde im Buchdruckverfahren gedruckt, bis dann 1949 die Photon Corporation in Cambridge, Massachusetts, erstmals die Fotosatz-Technologie vorstellte. In dieser Technik wurden anfangs die Bleibuchstaben ersetzt durch Licht, das durch eine Schablone auf ein lichtempfindliches Papier projiziert wurde … Mitte der achtziger Jahre entwickelte sich der persönliche Heimcomputer zum Massenphänomen. Die ersten Bitmap-Fonts für den Heimgebrauch hatten stark deformierte kantige, pixelige Formen, was an der sehr niedrigen Auflösung der ersten Bildschirme lag. …Die darauffolgende und heute noch gültige Open-Type-Technologie speichert den Font ausschließlich, also auch für die Bildschirmdarstellung, als Vektorgrafik. Die Schrift wird als mathematisches System gespeichert und kann so ohne Qualitätsverlust übertragen und skaliert werden. Die moderne Form der Schrift als mathematisches Konzept in einem virtuellen Raum war geboren.“ Da schauen Sie aber gleich mal nach, welches Schriftbild Sie bevorzugen.


Das unbeschriebene Blatt
950. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 23.1.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Dagmar Wicke grüßt literarisch mit einem kleinen Gedicht zur Weisheit!: „Ich bin ein unbeschriebenes Blatt, die Zeichen, die du auf mich setzt, ich will sie alle tragen. Und mögen sie auch dunkel sein, so werden sie zu allerletzt von meiner Weisheit sagen.“


Literarische Jahresvorschau
949. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 15.1.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Und hier nun die versprochene literarische Jahresvorschau: klar es gibt wieder jede Menge Neuerscheinungen und Messen und Preise. Auch „Bordenau liest: wird Anfang Oktober einladen, diesmal zum 21. Jubiläum, und wir planen, einen oder eine große Vorleser/in einzuladen, Eva Mattes haben wir schon angeschrieben, es könnte aber auch Matthias Brandt werden. Im wirklichen Sinne kann niemand über das neue Jahr etwas Zutreffendes aussagen, doch die Literatur selbst hat sich immer wieder mit der Zukunft beschäftigt, in Fantasieromanen oder sozialen Utopien wie Thomas Mores UTOPIA, Francis Bacons NEU-ATLANTIS oder Tommaso Campanellas SONNENSTAAT. Auch George Orwells „1984“ gehört zu den sozialen Science-Fiction-Romanen, die die Überwachung der Gesellschaft darzustellen versuchen. In neuerer Zeit hat das die zeitgenössische Autorin Juli Zeh mit ihrem Gesundheitsstaat CORPUS DELICTI gewagt. Zwei Neuerscheinungen, die sich besonders mit den neuen technologischen Möglichkeiten beschäftigen, seien dennoch herausgestellt. Michael Meisheit „Wir sehen dich sterben“: Berlin: An einem Dezembersonntag soll MyView der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Bei dem geheimen Projekt wurde eine bahnbrechende Technologie entwickelt: Mithilfe eines Chips im Sehnerv kann das Blickfeld eines Menschen live auf einen Bildschirm übertragen werden. Einen Tag vor der Präsentation entdeckt die junge Wissenschaftlerin Nina Kreutzer Videostreams, die durch die Augen von sechs ihr unbekannten Menschen blicken lassen. Menschen, die offensichtlich nicht wissen, dass ihnen ein Chip implantiert wurde – und die jetzt einer nach dem anderen ermordet werden. Zusammen mit dem Polizisten Tim Börde beginnt für Nina ein Wettlauf gegen die Zeit …und das Buch von Ian McEvan, „Maschinen wie ich“: Charlie ist ein sympathischer Lebenskünstler Anfang 30. Miranda eine clevere Studentin, die mit einem dunklen Geheimnis leben muss. Sie verlieben sich, gerade als Charlie seinen 'Adam' geliefert bekommt, einen der ersten lebensechten Androiden. In ihrer Liebesgeschichte gibt es also von Anfang an einen Dritten: Adam. Kann eine Maschine denken, leiden, lieben? Adams Gefühle und seine moralischen Prinzipien bringen Charlie und Miranda in ungeahnte - und verhängnisvolle - Situationen.


Literaturnobelpreise
948. Artikel der Aktion UNSER DORF LIEST vom 11.1.20

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Nun haben wir sie wieder, die Jahresrück- und -vorschaun. Halten wir uns im engeren Sinne ans Wort. In letztem Jahr wurden zwei Literaturnobelpreise verliehen. Der eine ging an die engagierte polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk, der andere an den deutschsprachigen Autor Peter Handke aus Österreich mit slowenischen Wurzeln - für sein Gesamtwerk mit einigen umstrittenen Werken zum Jugoslawienkrieg. Dadurch bekam er Ärger mit einem anderen Deutschen Buchpreisträger 2019, nämlich Saša Stanišić aus Bosnien-Herzegowina, der seit 1992 in Deutschland lebt. Mit seiner Neuerscheinung „Herkunft“ steht er momentan auf den Spiegelbestsellerlisten: ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden und was danach kommt. Nach seinen erfolgreichen Büchern „Wie der Soldat das Grammophon repariert“ und „Vor dem Fest“ schildert „Herkunft“ hochliterarisch und dennoch realistisch die gelungene Integration in die deutsche Sprache und den mitteleuropäischen Verfassungsraum mit seinen besonderen Möglichkeiten. Nächste Woche geht es weiter mit einer literarischen Jahresvorschau!



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